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Jochen Ostheimer | Den eigenen Untergang erzählen, um ihn zu verhindern
̟ Hinzu tritt die Kombination oder das In-Beziehung-Setzen von
Textelementen. Auf diese Weise werden Akteure in ein Bündnis
oder eine Opposition, Ereignisse in einen Ablauf, Werte in eine sich
verstärkende oder negierende Konstellation gebracht. Es entstehen
Grenzen und Möglichkeiten der Grenzüberschreitung.
̟ Nicht zuletzt gehört zum Fingieren, dass es „sich durch ein Sig-
nalrepertoire als fiktional zu verstehen“ (Iser 1991, 35) gibt. In der
Selbstanzeige der Fiktion als Fiktion, „im Kenntlichmachen des
Fingierens wird alle Welt, die im literarischen Text organisiert ist,
zu einem Als-Ob“ (Iser 1991, 37). Folglich sind die natürlichen Ein-
stellungen zur Welt gemäß der Zwecksetzung, die der vorgenom-
menen Selektion zugrunde liegt, zu suspendieren. Das hat jedoch
gerade nicht zur Folge, dass die fingierte Welt keine Konsequenzen
zu entfalten vermöchte. Vielmehr verfolgen viele Fiktionen gerade
den Zweck, zu einem bestimmten Handeln, zur Reflexion der ei-
genen Einstellung oder, wie Szenarien, zur Konzeption geeigneter
Handlungsprogramme anzuregen.
Das Klima der Zukunft – die IPCC-Szenarien
Der 1988 gegründete Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Clima-
te Change, IPCC) veröffentlicht seit 1990 Sachstandsberichte, die den je-
weiligen Wissensstand bündeln. Sie umfassen die naturwissenschaftlichen
Grundlagen des Klimawandels, Abschätzungen der Folgen der Erderwär-
mung für Umwelt und Gesellschaft sowie Optionen und Strategien zur
Minderung des und zur Anpassung an den Klimawandel, wobei von di-
rekten Handlungsempfehlungen abgesehen wird. Um begründete Aussa-
gen angesichts der eingangs genannten Unsicherheiten treffen zu können,
operiert der IPCC mit Szenarien, die vereinfacht ausgedrückt Wenn-dann-
Verhältnisse modellieren.
„Scenarios are images of the future, or alternative futures. They are nei-
ther predictions nor forecasts. Rather, each scenario is one alternative
image of how the future might unfold […]. As such they enhance our un-
derstanding of how systems behave, evolve and interact. They are useful
tools for scientific assessments, learning about complex systems behav-
ior and for policymaking and assist in climate change analysis, including
climate modeling and the assessment of impacts, adaptation and miti-
gation.“ (IPCC 2000, 23; vgl. Rahmstorff/Schellnhuber 2007, 46–47)
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven