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Jochen Ostheimer | Den eigenen Untergang erzählen, um ihn zu verhindern
Die vier grundlegenden Erzählungen wurden anschließend mithilfe ver-
schiedener Modellierungsansätze quantifiziert. Es entstanden vier Szena-
rienfamilien, d. h. pro storyline eine Gruppe von Szenarien mit vergleich-
baren Ausgangsannahmen. Die Bandbreite der insgesamt vierzig Einzel-
szenarien spiegelt die Unsicherheiten bei der Abschätzung der Treibhaus-
gasemissionen bis 2100 wider, wobei katastrophale Ereignisse und außer-
gewöhnliche Überraschungen ausgeklammert wurden (vgl. IPCC 2000,
172).11
Mit dem fünften und gegenwärtig aktuellen Sachstandsbericht (2013/2014)
wurden die SRES-Szenarien durch neue Modelle ersetzt, die „Repräsenta-
tiven Konzentrationspfade“ (Representative Concentration Pathways, RCPs),
die nicht vom IPCC selbst entworfen wurden (vgl. das Sonderheft von Cli-
matic Change 109 (1–2), insbes. van Vuuren u. a. 2011). Ergänzt werden sie
durch Extended Concentration Pathways (ECPs), die den Zeitraum nicht nur
bis 2100, sondern bis 2300 umfassen. Die Bezeichnung als repräsentativ
rührt daher, dass sie jeweils für eine größere Menge an in der Forschung
verwendeten Szenarien stehen. Im Unterschied zu ihren Vorgängern stel-
len sie nicht gesellschaftliche Entwicklungen an den Anfang, sondern
Treibhausgaskonzentrationen und Strahlungsantrieb, d. h. die Gesamtbi-
lanz der die Erdoberfläche erwärmenden und abkühlenden Faktoren. Mit
diesen Szenarien lassen sich dann in Klimamodellen die Klimaänderungen
bestimmen. Zudem kann berechnet werden, welche Menge an Kohlendi-
oxid noch freigesetzt werden darf, um dem Szenario zu entsprechen. Der
Ansatz ist also stärker naturwissenschaftlich orientiert als bei den SRES-
Szenarien, er geht von messbaren Daten und naturgesetzlichen Zusam-
menhängen aus, um von dort her quasi retrospektiv ein Nachdenken über
gesellschaftliche Handlungserfordernisse anzuregen und anzuleiten.
Die RCP-Modelle gehören somit zum quantitativen Typus von Szenarien,
während die SRES-Ansätze zumindest in ihrem ersten Schritt, den gesell-
schaftlichen Szenarien, neben quantitativen Einflussgrößen wie Bevöl-
kerungsentwicklung oder Wirtschaftswachstum auch qualitative Aspekte
wie politische Programme zur Gesundheitsversorgung, Familienplanung
oder landwirtschaftlichen Entwicklung oder vage formulierte Faktoren
wie gesellschaftliche und technische Innovationen umfassen (vgl. IPCC
2000, Kap. 3; zu typologischen Einordnungen von Szenarien vgl. Van Not-
ten 2003, 429; Börjeson u. a. 2006, 725–730; Kosow/Gaßner 2008, 30–35;
11 Zur Deutung von Worst-Case-
Szenarien als Machtinstrumente der
herrschenden Eliten vgl. Price 2011.
„Repräsentative Konzentrationspfade“
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven