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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
Seite - 58 -
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58 | www.limina-graz.eu Jochen Ostheimer | Den eigenen Untergang erzĂ€hlen, um ihn zu verhindern hingegen entzieht sich die Zukunft aufgrund der KomplexitĂ€t der VerhĂ€lt- nisse den Prognosen. Zudem entfaltet sie weniger Versprechungen als Be- drohungen (vgl. Assmann 2013, 254; Gumbrecht 2012, 303). Diese drei Eigenschaften, das nicht verdrĂ€ngbare Nachwirken und Aus- greifen der Vergangenheit auf die Zukunft, das Verschwimmen der Zukunft hinter einem Schleier der KomplexitĂ€t und ihr grundsĂ€tzlich bedrohli- cher Charakter, kennzeichnen auch das AnthropozĂ€n. Ausgerottete Arten sind unwiederbringlich verloren, wĂ€hrend in die AtmosphĂ€re eingebrach- te Treibhausgase oder im Untergrund vergrabener radioaktiver MĂŒll noch Jahrhunderte oder Jahrhunderttausende zum VermĂ€chtnis an die jeweils nachfolgende Generation gehören.13 Die Aussichten sind infolge der Um- weltdegradation alles andere als rosig, wie beispielsweise die Studien zu den vielfach schon ĂŒberschrittenen planetarischen Grenzen zeigen (vgl. Rockström u. a. 2009). Angesichts der paradoxen Dynamik, dass die Eigenmacht der Geschichte mit ihrer Machbarkeit wĂ€chst, dass mit der technisch ermöglichten Steige- rung von Planungs- und Handlungsmöglichkeiten die Unplanbarkeit und das Risiko ebenfalls zunehmen (vgl. Koselleck 1979, 61; Beck 1986), scheint die Methode des Szenarios aufgrund ihrer steuerbaren VariabilitĂ€t beson- ders geeignet, die Zukunft denkerisch und planend in den Griff zu bekom- men. Auf diese Weise soll Übersichtlichkeit hergestellt und soll ein ratio- nales Handeln ermöglicht werden. Allerdings zeigt sich immer deutlicher eine Diskrepanz zwischen der Vielzahl an Szenarien und Studien zum Kli- mawandel und dem Vertagen der angezeigten Transformation der gesell- schaftlichen VerhĂ€ltnisse. Damit erhĂ€lt das immer wieder neue und detail- liertere Modellieren von KlimaverlĂ€ufen entgegen der Absicht der Autoren vielleicht eine ganz neue Bedeutung. Als Nebeneffekt suggeriert es, wie es eben zur Methode der Szenarien gehört, ein Wissensdefizit, wo eigentlich schon lĂ€ngst Klarheit herrscht, nĂ€mlich dass die ErderwĂ€rmung stattfin- det, menschengemacht ist, ĂŒberwiegend negative Folgen zeitigt und durch große, aber machbare Anstrengungen begrenzt werden kann. Mit Blick auf die politische Wirkung ist es daher fraglich, ob diese Form des ErzĂ€hlens der drohenden Klimakatastrophe noch einen Beitrag dazu leistet, sie zu verhindern. Vielleicht brĂ€uchte es in der aktuellen Situation eher Szenarien einer klimakompatiblen Gesellschaft und insbesondere ansprechende Mo- dellierungen, wie der Weg dorthin gestaltet werden kann. Es herrscht eigentlich schon lĂ€ngst Klarheit. 13 Die vom deutschen Bundesmin- isterium fĂŒr Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit formu- lierten Sicherheitsanforderungen an Endlager fĂŒr AtommĂŒll nennen einen Zeitraum von einer Million Jahre; www.bmu.de/themen/atom- energie-strahlenschutz/nukleare- sicherheit/sicherheit-endlager/ sicherheitsanforderungen [23. Aug. 2019].
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
3:1
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
222
Kategorien
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