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Şenol Yaĝdı | Von der Bildungsferne zum Bildungsaufstieg
lie, in hohen Bildungsaspirationen sowie im Bemühen, Kinder auf ihrem
Bildungsweg bestmöglich zu fördern (vgl. Tepecik 2011, 40, 304). Auch für
Raiser (2007, 181) spielt in Migrantenfamilien ein „migrationsspezifisches
Kapital“ eine Rolle, das sich aus deren Erfahrungen, Werten und Familien-
strukturen ergibt und dazu dient, den Kindern einen gesellschaftlichen
Aufstieg zu ermöglichen.
Tepecik verweist zudem auf das biographische Erfahrungswissen von
Migran tenfamilien als Handlungsressource zur Bewältigung der Anforde-
rungen im Bildungsaufstieg, wobei es von Bedeutung ist, in welchem Ver-
hältnis die innerfamilialen Ressourcen zum sozialen Handlungskontext
der Bildungsinstitutionen stehen (vgl. Tepecik 2011, 56). Diese biographi-
schen Erfahrungen und dieses Hintergrundwissen beinhalten ein Trans-
formationspotenzial, das „trotz einschränkender Strukturbedingungen
Handlungsspielräume freisetzen kann“ (ebd., 55).
Niehaus stellte fest, dass die Bildungsentscheidungen der Eltern eine wich-
tige Rolle für den Bildungsaufstieg der Kinder spielen. Diese Entscheidun-
gen haben eine positive Auswirkung auf die Bildungskarriere der Kinder,
obwohl sie nicht über das notwendige kulturelle Kapital im Bourdieu’schen
Sinn verfügen (vgl. Niehaus 2008, 137):
„Eine hohe Bildungsambition der Eltern kann den Bildungserfolg der
eigenen Kinder durch gezielte Fördermaßnahmen positiv beeinflussen.
Dies kann zumindest für den schulischen Bildungsweg gelten. Bildungs-
kompetente Erziehungsentscheidungen erscheinen in diesem Zusam-
menhang als besonders zentral, eine hohe innerfamiliäre Ausstattung
an kulturellen Ressourcen ist hierfür nicht zwingend Voraussetzung.“
(Niehaus 2008, 138)
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das migrantenspezifische kul-
turelle Kapital in vielen Migrantenfamilien nicht aus formalen Bildungs-
abschlüssen besteht, sondern aus bestimmten Werten, Orientierungen und
Aspirationen. Es äußert sich in einem hohen Stellenwert der Bildung und
in daraus resultierenden hohen Bildungsaspirationen für die zweite Ge-
neration, die sich sowohl in emotionaler Unterstützung und Motivation
als auch in aktiver Unterstützung von Bildungsprozessen durch die Eltern
ausdrücken können. Dabei zeigt sich, dass inkorporiertes kulturelles Kapi-
Das migrantenspezifische kulturelle Kapital besteht nicht aus formalen
Bildungsabschlüssen, sondern aus Werten, Orientierungen und Aspirationen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven