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Edith Petschnigg | Generationen im jüdisch-christlichen Dialog seit 1945
been through the war, Germans who fought in the war or had lived
through the war. They were filled with a kind of guilt. Particularly people
who were part of the Christian community felt the terrible thing that had
happened and they were responsible twice: as Germans and as Chris-
tians. And they were just really grateful that people were not coming to
hate them, but coming and entering to a dialogue“ (Interview Cooper).
Die Katholikin Elisabeth Gülden aus Aachen, die gemeinsam mit ihrem
Mann, einem Theologen, und ihrer Schwester, Helene Jacobs, mehrmals
am Christlich-Jüdischen Ferienkolleg in Nettetal teilgenommen hatte, schil-
dert aus christlicher Perspektive die Wahrnehmungen der ersten Generati-
on. Sie berührte besonders die Offenheit des aus Berlin stammenden Rab-
biners Jakob J. Petuchowski, der im Mai 1939 mit einem Kindertransport
nach Schottland gerade noch der nationalsozialistischen Verfolgung ent-
kommen konnte (vgl. Petuchowski 1992, 135), gegenüber seinen deutschen
christlichen GesprächspartnerInnen. Gülden erlebte diese Begegnung als
äußerst befreiende Erfahrung:
„Er war ein sehr liebenswürdiger Mensch, und er hatte auch viel Ver-
ständnis für Christentum. Er hat das gelehrt in Amerika. Er nahm uns so
etwas die Beklemmung, die wir Deutschen ja gegenüber jüdischen Men-
schen haben, meine Generation ja bestimmt und die Generation meines
Mannes, der zehn Jahre älter war, und Krieg und alles mitgemacht hatte,
für den war das so was […] so was Unerwartetes, dass er uns auch so
freundlich begegnete und nicht nur als Täter sah, die wir in irgendeiner
Form ja doch waren. Ich glaube, das war auch das Besondere an diesem
Kolleg, dass man so etwas wie Frieden wieder spürte“ (Interview Gül-
den).
Helene Jacobs, die ebenso wie ihre Schwester Elisabeth Gülden im nati-
onalsozialistischen Deutschland aufgewachsen war und die Verfolgung
jüdischer Menschen anhand des Schicksals jüdischer Mitschülerinnen in
Aachen miterlebte, betont desgleichen die befreiende Erfahrung, die für sie
aus dem Gespräch mit dem gleichaltrigen jüdischen Referenten Jakob J. Pe-
tuchowski erwuchs:
„Und das war so beglückend. Das war für mich immer so das Ende der
ganzen Sache, da ist einer, der uns die Hand gibt. Da ist einer, der will
es mit uns aufnehmen, der ist von [19]25, ich bin auch von [19]25, wir
„... so was Unerwartetes, dass er uns auch so freundlich begegnete“
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven