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Edith Petschnigg | Generationen im jüdisch-christlichen Dialog seit 1945
Für die zweite Dialoggeneration bedeutete die Teilnahme an jüdisch-
christlichen Begegnungen in Deutschland – und Ähnliches gilt für Öster-
reich– insofern eine Form der Heilung. Generational betrachtet leisteten
diese Wochen einen entscheidenden Beitrag dazu, transgenerationale
Verstrickungen zu verringern oder, zumindest so weit als möglich, auf-
zulösen. Darüber hinaus boten jüdisch-christliche Initiativen eine Begeg-
nungsmöglichkeit zwischen JüdInnen und ChristInnen, die es andernorts
in Deutschland und Österreich nach der Schoah nur mehr sehr selten gab.
Rabbiner Howard Cooper rekapituliert, was dieses Faktum seiner Wahr-
nehmung nach insbesondere für Angehörige der zweiten Generation bedeu-
tete:
„When I went to Germany certainly for the younger generation they nev-
er met Jews. We were the first Jews that people were meeting. To touch
a Jew after the Shoa sound weird. To touch them, to kiss them that was
mind-blowing. That was an important part of the dialogue, with real
connections. That was an area of personal level which was very impor-
tant to these weeks“ (Interview Cooper).
Für Rabbiner Howard Cooper stellte vor allem die Begegnung mit Ange-
hörigen der zweiten Generation die eindrücklichste Erfahrung im Zuge der
Bendorfer Bibelwochen dar. Er gibt Einblick in jene fast undurchdringliche
Decke des Schweigens, die in der Nachkriegszeit sowohl über Deutschland
als auch Österreich lag und die erst im Zuge der 68er-Bewegung erste Ris-
se bekommen sollte. Zum Zusammentreffen mit gleichaltrigen Deutschen,
die das Schweigen ihrer Eltern nicht mehr länger akzeptierten, hält er prä-
gende Momente fest:
„And over the years, their children – the children who were angry with
their parents because their parents were not talking about what hap-
pened – they began to come to these meetings. And that was a very
powerful encounter, particularly for me because they were my age – the
second generation, the generation who could not have been alive during
the war but must be dealing with the consequences. And that meeting of
my peers was extraordinary. That was a very formative part of my life. I
made some very good connections and contacts. It was very powerful and
emotional“ (Interview Cooper).
Die deutsche Diplomsozialarbeiterin Gertrud Brück-Gerken, Teilnehmerin
der Jüdisch-Christlichen Bibelwoche von Bendorf und des Christlich-Jüdischen
Ferienkollegs von Nettetal, gibt aus der Perspektive der zweiten Generation
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven