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Edith Petschnigg | Generationen im jüdisch-christlichen Dialog seit 1945
„Es war wirklich so, dass vorher, das möchte ich schon sagen, mehr die
Geschichte immer mit hineinspielte, das Bewusstsein, hier fängt etwas
an, was wir eigentlich schon gar nicht mehr für möglich gehalten hatten,
dass man normal mit jüdischen Menschen ins Gespräch kommen könnte,
das war nicht selbstverständlich, schon gar nicht in den Anfängen. Und
jetzt ist eben eine andere Generation da, auch von den Referenten her,
die das jedenfalls nicht thematisiert hat“ (Interview Grabowski).
Gerade an der Berliner Sommeruniversität, die als universitäre Veranstal-
tung vor allem ein studentisches Publikum anzog, lässt sich der Wandel,
der sich in der dritten Dialoggeneration vollzog, vermutlich besonders gut
ablesen. Durch das Nachrücken der Enkelgeneration der Kriegsgeneration
in das jüdisch-christliche Dialoggeschehen rückten biblische und andere
thematische Aspekte immer stärker in den Vordergrund und eine Thema-
tisierung der Schoah war kaum noch präsent. Waltraud Grabowski führt in
diesem Zusammenhang ihre Beobachtungen weiter aus:
„Und jetzt die letzte Sommeruniversität, die ich mitgemacht habe, die
zeigte dann einen wirklich ganz starken Wandel, auch von den Teilneh-
menden her, denn da ging es dann wirklich jetzt mal überhaupt nicht
mehr um die Frage, welche zentrale Stellung der Holocaust hatte bei der
ganzen Sache, sondern wirklich um die Beschäftigung – es ging um Zion,
die Tochter Zion – mit dem, was da aus der Hebräischen Bibel zu uns
rüber kommt, was auch archäologisch zum Beispiel wichtig ist, das war
etwas völlig Neues“ (Interview Grabowski).
Die Mehrheit der im jüdisch-christlichen Gespräch Engagierten gehörte,
zumindest bis in das beginnende 21. Jahrhundert, der ersten und zweiten
Generation an. VertreterInnen der dritten Generation stießen sowohl von
jüdischer als auch von christlicher Seite, meist motiviert durch ihr Theo-
logie- oder Rabbinatsstudium, nach und nach dazu. Die britische Jüdin
Yudit Collard Treml, mehrfache Teilnehmerin zunächst der Bibelwoche
von Bendorf in ihren letzten Jahren und anschließend in Georgsmarien-
hütte, ist eine von ihnen. Sie ist Absolventin eines Studiums der christli-
chen Theologie und eines Masterstudiums in Jewish-Christian Relations.
Ein wesentliches Motiv für ihre Teilnahme am Dialog ist für sie das Lernen
von ChristInnen, um zu erfahren, wie sie ihre Religion leben. In den ersten
Jahren ihrer Teilnahme in Bendorf fand sie teilweise wenig Verständnis für
ihr Interesse am Christentum; eine diesbezügliche Veränderung wurde für
sie erst mit der verstärkten Anwesenheit von Angehörigen der dritten Ge-
neration spürbar:
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven