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Martina Schmidhuber | Mehr-Generationen-Wohnen als Zukunftsmodell
Demgegenüber ist die zweitgenannte Form des Allein-Wohnens häufig
deshalb entstanden, weil der Partner verstorben ist. Dies betrifft mehr
Frauen als Männer, weil die Lebenserwartung der Frauen höher ist als die
der Männer (vgl. Statistik Austria 2019).
Das Haus, in dem meist drei Generationen unter einem Dach lebten, hat
scheinbar ausgedient, auch wenn diese Idee in Einzelfällen immer wieder
reaktiviert wird (vgl. mein-leben.at 2019). Die Globalisierung des Arbeits-
marktes und die damit häufig geforderte berufliche Mobilität lässt Fami-
lien vielmehr auf der ganzen Welt zerstreut leben, sodass ein Familienzu-
sammenhalt im Alltag zwischen den Generationen immer seltener denkbar
ist (vgl. aus der umfangreichen Literatur dazu z. B. Schönduwe 2017).
Auch wenn das Mehr-Generationen-Haus, in dem man mit gegenseitiger
Unterstützung und Hilfe zwischen den Generationen rechnen durfte und in
dem man nie allein geschweige denn einsam war, Vorteile mit sich brachte,
hatte es auch seine Kehrseite: Vor allem Frauen waren häufig einer starken
Belastung ausgesetzt, denn sie fanden sich nicht selten in einer so genann-
ten „Sandwich-Situation“ wieder (vgl. Borchers 1997). Die Pflege der El-
tern oder Schwiegereltern auf der einen Seite und die Betreuung der Kinder
auf der anderen Seite erlaubten wenig Freiraum für die eigenen Bedürfnisse
(vgl. dazu auch Madörin 2013). Wenig Wertschätzung und Anerkennung für
diese unbezahlte Tätigkeit zu erhalten, empfinden auch gegenwärtig viele
Frauen, die Fürsorgearbeit innerhalb der Familie leisten, als belastend und
ungerecht (vgl. Kruse 2017, 363–365). Zudem kann eine Konfliktsituati-
on entstehen, in der sich die Fürsorgenden zwischen den Stühlen, nämlich
zwischen ihren Kindern und den pflegebedürftigen Eltern/Schwiegerel-
tern, sehen, weil sie das Gefühl haben, sich um keine der unterstützungs-
bedürftigen Personen angemessen kümmern zu können (vgl. Kruse 2017,
363–365).
Richtet man gegenwärtig den Blick in Haushalten auf Fürsorge- und
Pflege arbeit, so zeigt sich, dass es nach wie vor in erster Linie Frauen sind,
die diese leisten. In Österreich sind 80
Prozent der pflegenden Angehörigen
Frauen (vgl. Pochobradsky et al. 2005). Viele Frauen in dieser Sandwich-
Situation können aufgrund der familiären Aus- und Belastung keiner Er-
werbsarbeit nachgehen, was aufgrund geringer Versicherungszeiten zu
Altersarmut führen kann. Darüber hinaus fühlen sie sich häufig sozial iso-
Nach wie vor sind es in erster Linie Frauen, die in
Haushalten die Fürsorge- und Pflegearbeit leisten.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven