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Martina Schmidhuber | Mehr-Generationen-Wohnen als Zukunftsmodell
als geeignet erachtet, die zu Wohnraum umgebaut wurde. Zum Gebäude
gehören ein großzügiger Garten und ein Innenhof. Der Verein Ökotopisches
Zentrum. Verein Leben und Umwelt wurde gegründet, jede/r brachte Start-
geld mit. Das Wesentliche war, dass alle zusammenhalfen, dass es regel-
mäßige Besprechungen zu weiteren Vorgangweisen gab, die demokratisch
beschlossen wurden.
Auch heute wird das noch so gelebt. Interessentinnen und Interessenten,
die sich der Gesinnungsgemeinschaft anschließen möchten, werden von
den Vereinsmitgliedern interviewt, um zu erfahren, ob die Personen, die
sich bewerben, auch menschlich zur Gruppe passen und das Motiv des An-
schlusses dem entspricht, was die Gründergruppe sich vorstellte: Nachhal-
tigkeit und Gemeinschaft. Probe-Wohnen war und ist möglich. Gemeinsa-
me Bauprojekte innerhalb des Zentrums – von der Schaffung des Wohn-
raums über den Bau der Holz-Heizanlage bis hin zur Renovierung des
Daches – oder die Organisation von Sommerfesten stärken die Gemein-
schaft. Dennoch wohnt jede/r alleine, mit PartnerIn oder Familie in einer
eigenen Wohnung. Jede/r hat eine Rückzugsmöglichkeit. Allerdings ist es
für alle selbstverständlich, dass man sich regelmäßig in die Gemeinschaft
einbringt und Vorhaben, die dem Gemeinwohl dienen, zusammen meistert.
Auch wenn die Grundidee des Ökotopischen Zentrums nicht ist, Menschen in
vulnerablen Situationen Raum zu geben und sie fürsorglich aufzunehmen,
scheint es, wie ein ehemaliger Bewohner berichtet, außer Frage zu stehen,
anderen in schwierigen Situationen zu helfen. Ohne dies ausdiskutieren zu
müssen, war für die Gemeinschaft klar, dass dem Mann, der beim Reno-
vieren vom Dach fiel und sich beide Arme gebrochen hatte, Unterstützung
im Alltag innerhalb des Zentrums zukommt und man sich bei der Fürsor-
getätigkeit innerhalb der Gruppe abwechselte. Eine Frau, die nach einem
Schlaganfall im Rollstuhl saß, hatte weiterhin die Möglichkeit im Zentrum
wohnen zu bleiben, auch wenn sie nichts mehr zu den notwendigen ge-
meinschaftlichen körperlichen Arbeiten beitragen konnte. Vielmehr sprach
man sich in der Gemeinschaft ab, wer sich wann um die Unterstützung der
Frau im Alltag kümmerte.
Unabhängig von den vulnerablen Situationen gestaltet sich auch das Leben
für Familien wesentlich einfacher. Kinderbetreuung erfolgt quasi automa-
tisch, weil immer jemand von den Erwachsenen vor Ort ist, die Kinder zu-
sammen aufwachsen und auch das Umfeld den Kindern Freiheiten bietet,
die sie als Kinder in einer Siedlung in einer Stadt nicht hätten. Noch heute
leben Menschen der Gründergruppe im Ökotopischen Zentrum und 2020 fei-
ert das Ökotopische Zentrum sein 40-jähriges Bestehen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven