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Roberta Maierhofer | „Clash of Generations“ oder gelebte Intergenerationalität: Visages Villages (FR 2017)
so Alter und Altern im Lichte einer Lebensbejahung sichtbar werden lässt.
Solche Gegenentwürfe finden etwa in der Kunst eine Möglichkeit zur Äuße-
rung. Das Kunstwerk ist imstande, Ambivalenz zu vergegenwärtigen und
jene in Gesellschaft und Kultur existenten Vorstellungen, die als essentia-
listisch – naturgegeben – und somit definitiv wahrgenommen werden, als
faktisch-ideologische und individuell-soziale Formalismen spür- und er-
fassbar zu machen. Somit ermöglicht ein die Ambivalenz wahrnehmender
kulturwissenschaftlicher Zugang das Erkennen nicht nur der Widerstän-
digkeit von Kunstwerken gegen soziale und politische Vereinnahmung,
sondern auch Rückschlüsse darauf, wie sehr alle Aspekte unseres indivi-
duellen Lebens von der Wirksamkeit sozial, kulturell und politisch mäch-
tiger, nicht selten als „natürlich“ behaupteter Vorstellungen, Normen und
Institutionen betroffen sind.
Feminismus als anti-essentialistische Kraft
Den Blick auf das Gestaltet-Sein menschlicher Existenz wesentlich ge-
prägt hat der Feminismus. Simone de Beauvoirs Text Das andere Geschlecht
(1949) ist nicht nur für den Feminismus, sondern für die Kulturwissen-
schaften insgesamt eines der einflussreichsten Werke, da Beauvoir die für
alle kulturwissenschaftlich behandelten Identitätsbereiche so wesentliche
Unterscheidung zwischen deren biologischen Voraussetzungen und deren
kulturellen Zuschreibungen vorgenommen hat. Die im Englischen formu-
lierte Differenzierung der Geschlechtlichkeit in sex und gender bildet die
Basis für ein grundsätzliches In-Frage-Stellen auch aller anderen Iden-
titätsmarkierungen, die als „natürlich“ wahrgenommen werden, wie das
etwa in Bezug auf Alter/n häufig noch zu sehen ist. Der oft zitierte Slogan
„das Persönliche ist politisch“ oder auch „das Private ist politisch“ (vgl.
Hanisch 1970) spricht etwa die Kritik an den für unzweifelhaft erachteten
sozialen, politischen und ökonomischen Normen durch die individuelle, im
feministischen Kontext durch die weibliche Erfahrung an.
Mit der offenen Debatte um die Gültigkeit sozialer Vorstellungen gelang-
ten auch kulturelle Repräsentationen zur Kenntnis, die auf die existen-
ten Probleme eingehen, denen sich das Individuum im Leben mit diesen
Ein grundsätzliches In-Frage-Stellen von Identitätsmarkierungen,
die als „natürlich“ wahrgenommen werden
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven