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Roberta Maierhofer | „Clash of Generations“ oder gelebte Intergenerationalität: Visages Villages (FR 2017)
keit als das Verhältnis von Ereignis und Dauer hervorzubringen – im Kunst-
werk und in der Gestaltung der Existenz. Dem gemeinsamen Kunstprojekt
von Varda und JR, das die Fotoaktionen und den Film umfasst, gelingt das
repräsentative, wissentliche Schaffen von Gegenwärtigkeit, indem an ver-
schiedenen Orten mit verschiedenen Personen Kunstaktionen existentiell
ereignet werden und diesen durch die filmische Dokumentation repräsen-
tative Dauer verliehen wird. Jugend und Alter werden in Visages Villages als
Ausformungen der Bezogenheit von Existenz und Mensch, von Ereignis/
Erlebnis und Repräsentation/Wissen, die die Gegenwärtigkeit konturieren,
formal abgesteckt.
So wie die Geschlechtlichkeit seit Beauvoir als ein wesentliches „Thema“
der individuell-sozial geformten und kulturell realisierten Gestaltung der
(biologischen) Existenz erachtet wird, so führt Visages Villages vor Augen,
dass das Lebensalter ebenso ein markantes „Thema“ der menschlichen
Gestaltung von Existenz ist. Das Individuum – vertreten durch JR und Var-
da – findet zusammen mit dem/der anderen, aber vom eigenen Zugang
aus zur Gestaltung der Existenz als einer gemeinsamen Gegenwärtigkeit,
die formal von Dimensionen wie Geschlecht oder Alter begrenzt wird. Der
Film räumt der Entfaltung der Gegenwärtigkeit aus den vielfältigen unter-
schiedlichen Voraussetzungen wesentliche Bedeutung ein und manifestiert
damit die kulturelle Konstituierung von Gestaltungen menschlicher Exis-
tenz wie der des Lebensalters. Dieses Verfassen erwächst im Film aus dem
Anfang, aus dem „ersten Mal“ der Zusammenarbeit der beiden Künstler-
persönlichkeiten, aus der gewagten gemeinsamen Reise zu neuen Ereig-
nissen, aus der Beachtung der (Mehr)Dimensionalität von Gestaltungen
unserer Existenz, aus dem Wahrnehmen der geteilten Gegenwärtigkeit im
„Projekt Leben“, die die Beteiligten und das Publikum verbindet.
Ausblick oder vorwärts zum Anfang
Alter und Jugend erscheinen im Alltag nicht selten – meist aus Gründen
der Eile – als klar umrissene Vorstellungen, die sowohl zeitlich als auch in-
haltlich bestimmt sind. Aber so wie schon Augustinus sinngemäß über die
Zeit sagte, wenn er nicht danach gefragt werde, wisse er es, wenn er aber
Alter oder Jugend sind nicht mehr Eigenschaften des Individuums, sondern
existentielle Herausforderung bei der Schaffung von Gegenwärtigkeit.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven