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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
1 Der Ausgangspunkt: Beobachtungen zu Traditionalismus, Anti
modernismus und extrem rechten politischen Positionierungen
Mit Aufkommen und allgemeiner Verbreitung des Internets seit der zwei-
ten Hälfte der 1990er-Jahre wurde ein Phänomen öffentlich beobachtbar,
das zwar auch zuvor schon existierte, wissenschaftlicher Analyse wie jour-
nalistischer Berichterstattung jedoch schwerer zugänglich war. Es handelt
sich um das Phänomen, dass traditionalistische und traditionalismusaffi-
ne Frömmigkeitsstile innerhalb des katholischen Glaubensspektrums auf-
fallend oft mit extrem rechten politischen Positionierungen einhergehen
(vgl. dazu exemplarisch für die schismatische traditionalistische Priester-
bruderschaft St. Pius X.: Damberg 2009, insb. 73–75; 95–97; 103–122), im
Mindesten aber in einem Spannungsverhältnis zu Grundpfeilern moderner
menschenrechtsbasierter Demokratien und des von ihnen eingeforderten
Respekts Andersdenkenden gegenüber stehen (dazu Steinhauer 2002 mit
Blick auf schismatisch-traditionalistische wie nicht-schismatische tradi-
tionalismusaffine Gruppierungen). Bedurfte es bis dato methodisch über
die kritische Lektüre veröffentlichter Schriften der betreffenden Kleinst-
gruppen hinaus auch der teilnehmenden Beobachtung öffentlicher wie ge-
schlossener Veranstaltungen bzw. eines investigativen Journalismus, so
konnten nun öffentlich zugängliche Internetseiten und Userkommentare
analysiert werden.
Gleichwohl erhöht das Internet nicht allein die Sichtbarkeit dieser Grup-
pierungen, sondern potenziert auch ihre Reichweite und Wirkung. Auf
preiswerteste Art ermöglicht es eine weltweite Verbreitung der eigenen
Positionen und ggf. Schriften, die Gründung virtueller Initiativen und dar-
über die wiederum weltweite Vernetzung vieler in ihrer realen Umwelt mit
ihrer Meinung oftmals isolierter Einzelner. Ebenso ermöglicht es das Vor-
täuschen von Masse allein über das Einrichten zahlreicher Webseiten, die
ggf. nur auf wenige vereinzelte Aktivist*innen zurückgehen („Astrotur-
fing“ / „Kunstrasenbewegung“, vgl. Strube 2017a, 60–64). Bei Sympathi-
sant*innen entsteht so jedoch der Eindruck, Stimme einer ,schweigenden
Mehrheit‘ zu sein; Kirchenleitungen werden beeinflusst in ihrer Einschät-
zung der Stimmungen im Kirchenvolk. Zudem zeigen sich internetspezifi-
sche Abkapselungs- und Radikalisierungsdynamiken, die erst in jüngster
Traditionalistische Frömmigkeitsstile gehen auffallend oft
mit extrem rechten politischen Positionierungen einher.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven