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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
Zeit analysiert werden (vgl. etwa Seemann/Kreil 2017) und deren langfris-
tige Auswirkungen auf religiöse Vergemeinschaftungsprozesse innerhalb
und außerhalb der Kirchen noch nicht vollständig abzuschätzen sind.
Im Fokus meiner Forschungen zu fundamentalistischen und rechtsex-
tremen Tendenzen in christlichen Milieus stehen Websites, deren Redak-
tionen sowie deren sich in Kommentarspalten austauschende User*innen
Folgendes eint: Sie verorten sich selbst explizit innerhalb der römisch-ka-
tholischen Kirche (gehören somit in der Regel nicht der Bewegung rund
um die Priesterbruderschaft St. Pius X. an) und vernetzen sich zugleich
ins politisch rechtspopulistische, rechtsradikale und z. T. rechtsextreme
Spektrum bzw. vertreten selbst explizit entsprechende politische Positio-
nen (vgl. Strube 2014; dies. 2015; dies. 2017b). Internetmedial werden auf
diesen Websites Dynamiken miteinander einhergehender politischer und
religiöser Radikalisierungen sichtbar, die von vorkonziliar-antimodernis-
tischen autoritär-exklusivistischen Haltungen geprägt sind. Hegten deren
Trägergruppen insbesondere unter Papst Benedikt XVI. restaurative Hoff-
nungen und erklärten ihre ,unbedingte Papsttreue‘ zum Alleinstellungs-
merkmal, so zeigen sie sich seit dem Pontifikatswechsel des Jahres 2013,
bedingt durch ein verändertes kirchenpolitisches Gesamtklima, zuneh-
mend schismatisch (vgl. Strube 2018a, 11–13). Insofern sich diese religiös
als fundamentalistisch klassifizierbaren Strömungen (vgl. Strube 2018a,
22–23) nicht mit einer segregierten religiösen Binnenwelt begnügen, son-
dern kirchen- wie gesellschaftspolitische Hegemonie für sich beanspru-
chen (bezüglich der Liturgie, im Anti-Genderismus etc.), und insofern sie
auf lehramtliche Positionen insbesondere der pianischen Epoche (1850–
1950) zurückgreifen können, sind kritische theologische wie kirchenpoli-
tische Auseinandersetzungen unumgänglich und betreffen nicht den Rand,
sondern die Mitte katholischer Identität.
Das auf diesen Websites und in ihren Trägerkreisen sichtbar werdende
Problem eines katholischen Fundamentalismus ist unter theologischer
Perspektive als zentraler Bestandteil dessen, was Peter Neuner den „lan-
gen Schatten des I. Vatikanums“ (Neuner 2019) nennt, zu verhandeln. Sei-
ne Brisanz im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Kirche und die Evan-
geliumsgemäßheit ihrer Verkündigung in den Krisen der Welt von heute
wird jedoch erst unter sozialpsychologischer Perspektive klar erkennbar:
Die Auseinandersetzungen mit religiös als fundamentalistisch
klassifizierbaren Strömungen betreffen die Mitte katholischer Identität.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven