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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
und antisemitischen Vorurteilen andererseits ließen Theodor W. Adorno
und sein Forschungsteam bereits 1950 im Rahmen der Studien zur auto-
ritären Persönlichkeit vermuten, „daß die Beziehungen zwischen religiö-
sen Ideologien und Ethnozentrismus komplex sein würden“ (Adorno 1995,
281). 1954 brachte der US-amerikanische Vorurteilsforscher Gordon W.
Allport die Ambivalenz von Religion und Religiosität in Bezug auf Vorurtei-
le auf die Formel: „The role of religion is paradoxical. It makes prejudice
and it unmakes prejudice.“ (Allport 1979 [1954], 444). Nicht dass, sondern
wie / in welcher Weise eine Person religiös ist, entscheidet also darüber, ob
ihre Religiosität sie zu größerer Menschenfreundlichkeit befähigt oder
Vorurteile bestätigt bzw. hervorbringt.
Sowohl bei Adorno als auch bei Allport findet sich bereits die Unterschei-
dung zwischen einer ethnozentrischen, auf soziale Konformität in der
Nahgruppe bezogenen Religiosität und einer universalistisch ausgerichte-
ten (vgl. Adorno 1995, 280–301; Allport 1979 [1954], 456; auch Streib/Klein
2014, 151–152). Allport vertiefte zudem die ebenfalls schon bei Adorno (vgl.
1995, 284–287) anklingende Vermutung, dass eine vor allem auf die Ein-
haltung von Konventionen ausgerichtete extrinsische Religiosität (etwa:
Kirchgang, um gesehen zu werden bzw. keinen Anstoß zu erregen) mit einer
höheren Tendenz zu Vorurteilen einhergehe (vgl. Allport/Ross 1967) – was
in zahlreichen Nachfolgestudien bestätigt werden konnte (vgl. Hall et al.
127; 134). Allports zweite, damit korrespondierende Vermutung, dass eine
intrinsisch motivierte Religiosität generell vorurteilsarm sei, musste in
späteren Studien dahingehend modifiziert werden, dass intrinsische Re-
ligiosität mit weniger offenen, jedoch nicht mit weniger unterschwelligen
Vorurteilen einhergehe. Vielmehr hätten intrinsisch Religiöse die Ideale
ihrer Religion stärker verinnerlicht, sodass sie versuchen, ihnen in ihren
Äußerungen auch zu entsprechen (vgl. Küpper 2010, 6–8; Hall 2010, 128).
Demgegenüber erwies sich das seit den 1970er-Jahren von Charles Daniel
Batson (et al. 1993) entwickelte Konzept einer als „Sinnsuchende bzw.
Quest-Religiosität“ bezeichneten Haltung insofern als tragfähig, als Le-
bensauffassungen, die mit einer grundlegenden Offenheit für Fragen und
Zweifel verbunden sind, durchgängig mit geringerer Vorurteiligkeit ein-
hergehen (vgl. auch: Klein 2017, 175–176; Hall 2010, 128; 134–135). Wie-
wohl Batson das Quest-Konzept ursprünglich als eine Form vorurteils-
freier Religiosität entworfen hatte, zeigte sich in Nachfolgeuntersuchun-
Extrinsische vs. intrinsische Religiosität
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven