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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
Hand in Hand mit der harschen Abwertung der Figuren vollzieht sich zu-
gleich – paradoxerweise, möchte man zunächst meinen – die Überhöhung
der Figuren zu Gottheiten, denen spirituelle bzw. dämonische Macht zuge-
sprochen wird. Dies geschieht offenbar, um die eigene aggressive Abwehr
von Figuren und Zeremonie als ,Notwehr‘ rechtfertigen und sich (im Sin-
ne einer Täter-Opfer-Umkehr) als Opfer statt als Aggressor betrachten zu
können. Diejenigen, die sich hier im Namen des einzigen Gottes er eifern,
sprechen einem profanen Gegenstand eine gottähnliche Macht zu und
konstruieren so erst die ,götzendienerische‘ Szenerie, die zu bekämpfen
sie vorgeben. Offen bleibt an dieser Stelle, ob vonseiten rechtskatholischer
Akteure hier rein strategisch und wider besseres Wissen gehandelt wird,
oder ob mit einer Projektion eigener magischer Vorstellungen (also: eige-
nen ,Aberglaubens‘) auf die Indigenen zu rechnen ist.
An den Aussagen des CRS zur Amazonassynode ebenso wie zum Dokument
über die Brüderlichkeit aller Menschen wird eine ausgeprägt vorkonziliare,
vor allem auf Positionen des Antimodernismus zurückgreifende Haltung
sichtbar. Skandalisiert wird vor allem der in den Kontext des Bekenntnis-
ses zum Recht eines jeden Menschen auf „Bekenntnis-, Gedanken-, Mei-
nungs- und Handlungsfreiheit“ eingebettete Satz des Dokuments:
„Der Pluralismus und die Verschiedenheit in Bezug auf Religion, Haut-
farbe, Geschlecht, Ethnie und Sprache entsprechen einem weisen gött-
lichen Willen, mit dem Gott die Menschen erschaffen hat. Diese göttliche
Weisheit ist der Ursprung, aus dem sich das Recht auf Bekenntnisfreiheit
und auf die Freiheit, anders zu sein, ableitet.“ (Zitiert nach Der Heilige
Stuhl 2019, nicht nach CRS)
Der Gedanke, dass die Pluralität und Vielfalt menschlichen Lebens auch im
religiösen Bereich gottgewollt sei und daraus ein Recht auf Glaubensfrei-
heit erwachse, wird als häretisch dargestellt. Zentraler Stein des Anstoßes
im sprachlich wie inhaltlich extrem unklar und nachlässig formulierten
Text von CRS ist offenbar, dass das auf der Basis des Zweiten Vatikani-
schen Konzils formulierte Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen
die pauschale Abwertung anderer Religionen als „falsch“ verunmöglicht.
Damit zieht sich CRS nicht allein auf die antimodernistisch-exklusivisti-
sche Haltung von Quanta cura und des Syllabus errorum und somit auf den
Der Gedanke, dass die Pluralität menschlichen Lebens auch im
religiösen Bereich gottgewollt sei, wird als häretisch dargestellt.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven