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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
Stand der neuscholastischen Theologie Pius IX. von 1864 zurück, während
sie zahlreiche andere Traditionsstränge der katholischen Kirche igno-
riert und insbesondere das Zweite Vatikanische Konzil überhaupt nicht als
Orien tie rungs punkt in Betracht zieht. Vielmehr erklärt sie theologische
Haltungen, die auf der Grundlage des Zweiten Vatikanums basieren, impli-
zit zum Skandal und stellt damit unausgesprochen, aber sehr direkt auch
die entsprechenden Konzilsdokumente als häretische Fehltritte dar, die
niemals hätten geschehen dürfen. Der Text der CRS-Erklärung erkennt so-
mit einen Teil der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils letztlich
nicht an und ist in der Konsequenz schismatisch ausgerichtet.
Der CRS-Erklärung geht es wesentlich um eine scharfe Abgrenzung gegen-
über anderen Religionen, die nicht einmal einen Blick auf innerweltlich-
menschliche Gemeinsamkeiten zulässt und dementsprechend keine Wert-
schätzung für andere Glaubensweisen empfinden kann. Das im wahrsten
Sinne des Wortes Vor-Urteil, es handele sich bei der Einbeziehung der von
Indigenen mitgebrachten Figuren um Idolatrie und einen Verstoß gegen
das erste Gebot, ist von vorherein gefällt und bedarf keiner Nachfragen; die
Erklärung ist ausschließlich auf Verurteilung ausgerichtet. Dabei verweist
sie auf willkürlich aus verschiedenen Epochen und Kontexten herausge-
nommene und für die eigenen Begründungen zurechtgestutzte Versatz-
stücke aus Bibel und Tradition: Passagen aus 1 Kor 10 und ein ohne genaue
Quellenangabe versehener „vom Zweiten Konzil von Nizäa geäußerte[r]
Vorwurf“ werden ohne jede Kontextualisierung literal verstanden und li-
near auf Papst Franziskus bezogen.
Aus der sozialpsychologischen Perspektive der eingangs vorgestellten Stu-
dien zu Religiosität und Vorurteilen ist die sich in CRS niederschlagende
religiöse Grundhaltung eine fundamentalistisch zu nennende, die ein li-
terales Verständnis der Wahrheit von Texten und Lehren mit dem Abso-
lutheitsanspruch verbindet, allein und exklusiv im Besitz der Wahrheit
zu sein, und zwar sowohl gegenüber anderen Religionen oder Bräuchen
als auch gegenüber Papst Franziskus und den zahlreichen Bischöfen und
Theolog*innen, die die Synode mit vorbereitet und durchgeführt haben
(vgl. Streib: truth of texts and teachings). Es geschieht eine pauschale Ab-
wertung aller Andersdenkenden als Heid*innen, Ungläubige oder eben
Häretiker*innen, verbunden mit einer strikten Dialogverweigerung. Eine
Contra Recentia Sacrilegia will keine Wertschätzung
für andere Glaubensweisen zulassen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven