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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
einem strengen Richtergott führt zu einer angstbesetzten Warnung derer,
die man auf dem falschen Weg wähnt, sondern umgekehrt ruft die eigene
autoritäre Aggression gegen „Regelübertreter*innen“ nach einem Gott,
der endzeitlich und endgültig das abstraft, was selbst zu bestrafen nicht
möglich ist.
Ethnozentrismus und die Legitimation von Gewalt gegen Sachen
und religiöse Gefühle (kath.net)
Schlaglichtartig und ergänzend zur Analyse von CRS wird nun auf die um-
fangreichen Userdiskussionen der privaten Internetseite kath.net einge-
gangen. Die am 21. Oktober 2019 erschienene erste Meldung zum Thema
Katholiken werfen nackte ‚Pachamama‘-Figuren in den Tiber wird 81-mal
kommentiert. Unter diesen 81 sind nur vier Kommentare (AntlitzChristi, pe-
trafel, Salvian, mit Einschränkungen auch: Herbstlicht), die die Tat ausdrück-
lich und uneingeschränkt kritisieren. Weitere einzelne Kommentare äußern
Mitgefühl mit Indigenen, denen die Figuren etwas bedeuten könnten (Zeit-
blick, Mumma), weisen auf Synkretismus als Normalfall christlicher Mission
hin (MSkeptic, KarlMaria) bzw. auf Rechtsordnung und Gerechtigkeit, die für
alle Menschen gleichermaßen gelten sollten (Henry_Cavendish). Auf diese
der Tat gegenüber kritischen Äußerungen reagieren andere User*innen mit
Belehrungen, Hohn oder Abwertung der Person, wie z. B. Hadrianus Antonius
(am 21.10.2019), der die Bedenken von AntlitzChristi mit „@AntlitzChriNick-
name schon zeigt, sind Sie nicht sehr demütig [sic!]“ kontert. Mehr als 50
Kommentare loben, feiern oder rechtfertigen ausdrücklich diesen Akt einer
Gewalt gegen Sachen, die anderen Menschen etwas bedeuten bzw. ihnen
heilig sein könnten, und der somit über Diebstahl und Sachbeschädigung
hinaus auch eine Gewalt gegen Seelen sein kann. Zumeist wird er als mu-
tiger Akt des Glaubens gewertet, der den noch unbekannten männlichen
Täter als wahren Glaubenszeugen erkennen lasse.
Einzelne Bibeltexte werden zur Begründung der Tat angeführt, allen voran
das erste Gebot, das in seiner Dringlichkeit ein solch impulsives Handeln
rechtfertige, die Tempelreinigung (Mk 11,15–19 parr.), durch die der ag-
gressive Akt als ,heiliger Zorn‘ in den Spuren Jesu qualifiziert wird, sowie
die Märtyrererzählungen der Makkabäerbücher, durch die Tat und Täter
Ein aggressiver Akt wird als ‚heiliger Zorn‘
in den Spuren Jesu qualifiziert.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven