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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
praktizierte – und von ihnen ausnahmslos für die gesamte römisch-ka-
tholische Kirche eingeforderte – Religiosität als eine fundamentalistisch
auf den Antimodernismus der pianischen Epoche enggeführte, die unter
sozialpsychologischer Perspektive deutliche Merkmale von Autoritarismus
ebenso wie Ethnozentrismus aufweist. Letzterer äußert sich nicht allein als
vorkonziliar-religiöser Exklusivismus Andersgläubigen gegenüber (wie er
sich 2015/16 in der Debatte um die Aufnahme von Geflüchteten selbst prä-
sentierte; vgl. dazu Strube 2017), sondern zieht ethnozentrische Abgren-
zungen auch gegenüber Katholik*innen anderer Regionen der Weltkirche.
Es zeigen sich hier nicht allein interreligiöse, sondern auch rassistisch-
chauvinistische Vorurteile. Von den verschiedenen Aspekten des Autorita-
rismus tritt im Kontext der obigen Analysen der der autoritären Aggression
gegenüber (in diesem Falle: katholischen) Andersgläubigen und Anders-
handelnden hervor: zum einen in Gestalt eines Strafbedürfnisses, das zu
seiner Durchsetzung Gott bemüht, zum anderen in Form ausgeprägter
Sympathien für einen Akt der Gewalt gegen Sachen, der nicht nur religiös
legitimiert, sondern sogar religiös überhöht wird (den aber dieselben Krei-
se, wenn es ihre eigenen Gegenstände träfe, als schlimmste Barbarei und
Blasphemie bezeichnen würden).
Insofern die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils, insbesondere
zur Religions- und Gewissensfreiheit sowie zum Verhältnis der katholi-
schen Kirche zu anderen Religionen, nicht nur nach Ansicht rechtskatho-
lischer Milieus in Kontrast zu solcherlei vorkonziliar-antimodernistischen
Haltungen stehen, scheint sich in diesem Konzil ein katholisch-religiöser
Stil niedergeschlagen zu haben, der Fairness, Toleranz und rationale (Ge-
wissens-)Entscheidung ermöglicht und zu Xenosophie und interreligiö-
sem Dialog ermutigt. Aus sozialpsychologischer Perspektive ließe sich der
innerkirchliche Konflikt um die Reformen des Zweiten Vatikanums als ein
,Clash‘ unterschiedlicher religiöser Stile beschreiben: Während der vor-
konziliar-antimodernistisch und traditionalistisch ausgerichtete Stil als
ein wenig Komplexität ertragender fundamentalistischer und zugleich
Vorurteile begünstigender zu bezeichnen wäre, ermöglichen die Theolo-
gien zentraler Konzilsdokumente reife und menschenfreundliche religiö-
se Stile. Somit ist der römisch-katholischen Kirche in allen ihren Gliedern
eigent lich schon seit beinahe sechzig Jahren ein solides katholisch-theo-
logisches Grundlagenprogramm für die Entwicklung und Förderung men-
schenfreundlicher religiöser Stile an die Hand gegeben. Wir müssen uns
nur erlauben, es zu leben.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven