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Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
genmaßnahmen geführt, die zum Teil mit massiven Einschränkungen der
Menschenrechte verbunden waren. Regierungen in aller Welt nutzten die
Gelegenheit, um mit Hilfe von Anti-Extremismus- und Anti-Terrorismus-
gesetzen auch politische Gegner zu bekämpfen. Diese Entwicklung hat sich
seit dem Angriff auf die Twin Towers in den USA vom 11. September 2001
verstärkt und zu Einschränkungen bzw. zur Verletzung von Menschen-
rechten wie der Religionsfreiheit und dem Diskriminierungsverbot geführt.
Die Reaktion darauf war eine internationale Debatte um die Berücksich-
tigung der Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung (vgl. Bene-
dek/Yotopoulos-Marangopoulos 2004; Council of Europe 2002). Die Men-
schenrechtskonventionen kennen zwar Einschränkungsmöglichkeiten aus
Gründen der nationalen Sicherheit, doch der dabei geltende Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit wird oft missachtet. Letztlich liegt eine Überreaktion
der Gesellschaft gegen terroristische Akte im Interesse der Terroristen,
die sich von überzogenen und pauschalen Gegenmaßnahmen zum Beispiel
eine Verstärkung der Islamfeindlichkeit und damit eine Mobilisierung der
Muslime in ihrem Sinne erwarten (vgl. Benedek 2005, 304-306).
Religiöser Fundamentalismus als Bedrohung der Menschenrechte
Der religiöse Fundamentalismus steht seit jeher in einem Gegensatz zum
Liberalismus, der für die Entwicklung der Menschenrechte grundlegend
war. Die Menschenrechte sind ein Produkt der Aufklärung und mussten
oft gegen religiöse Autoritäten erkämpft werden. So erklärte der Syllabus
Pius’ IX. die Auffassung, dass es nicht mehr angehe, die katholische Reli-
gion als einzige Religion eines Staatswesens anzuerkennen, als Irrtum be-
treffend den Liberalismus (vgl. Syllabus errorum 1864).1 Im Jahr 1870 wurde
mit der Enzyklika Pastor Aeternus das Dogma über die Unfehlbarkeit des
Papstes angenommen (vgl. Wolf 2020). Die Verbindung zwischen Staat und
Religion ist nicht auf den Islam beschränkt, historisch wäre etwa die in der
österreichisch-ungarischen Monarchie bestehende ‚Ehe von Thron und
Altar‘ zu erwähnen. Manche Religionen haben auch heute noch Probleme
mit den Menschenrechten und betonen stattdessen die Menschenpflich-
ten, was auch den Vorstellungen mancher Regierungen entspricht (vgl. Be-
nedek 2012, 27-37).
1 Siehe Syllabus errorum. An-
hang zur Enzyklika Quanta cura,
8.12.1864, Nr. 77 von 80 angeführten
Irrtümern, die die Zeitabhängigkeit
der Lehre der Kirche deutlich wer-
den lassen.
Maßnahmen gegen religiös begründeten Terrorismus waren zum Teil
mit massiven Einschränkungen der Menschenrechte verbunden.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven