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Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
So wurde kritisch angemerkt, dass damit eine ganze Religionsgemeinschaft
in eine Art „Mithaftung“ genommen und eine potentielle Einschränkung
des Menschenrechts auf Gedankenfreiheit erfolgen würde (vgl. Leitlein
2020). Dieses Recht darf übrigens aufgrund von Artikel 19 (1) des Paktes der
Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte von 1966 zum Un-
terschied von dem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit keine Einschrän-
kung erfahren.
Freilich sollte man nicht naiv sein und die Einflussversuche aus dem Aus-
land auf heimische muslimische communities unterschätzen. Deren Ver-
hinderung sollte auch das Islamgesetz von 2015 dienen, in welchem Rech-
te und Pflichten islamischer Religionsgemeinden festgelegt werden. Nun
sollen durch Novellen des Islamgesetzes und des Bekenntnisgemeinschaften-
gesetzes weitere Informationspflichten und Eingriffsmöglichkeiten ge-
schaffen werden, die nicht nur von den MuslimInnen als diskriminierend
empfunden werden (vgl. Potz 2021).
Nach dem islamistischen Attentat im November 2020 in Wien verkündete
Bundeskanzler Kurz überdies eine neues Anti-Terrorpaket der Regierung,
das den religiös motivierten Extremismus (politischen Islam) zu einem
Straftatbestand machen sollte. Dieses Vorhaben fand sich schon im Re-
gierungsprogramm der türkis-blauen Koalition.15 Nach Meinung von Ex-
pertInnen besteht jedoch kein Bedarf an dem geplanten neuen Straftat-
bestand „religiös motivierte extremistische Verbindung“, weil das beste-
hende Strafrecht völlig ausreicht.16
Ein Ziel der Dokumentationsstelle Politischer Islam ist die Erforschung der
Netzwerke der Muslimbrüder, die einige Tage nach dem Terroranschlag
in Wien Gegenstand einer großangelegten Razzia unter dem Einsatz von
mehr als 900 schwer bewaffneten Einsatzkräften waren. Ihnen werden je-
doch keinerlei terroristische Pläne für Österreich vorgeworfen, sondern al-
lenfalls die Unterstützung von terroristischen Organisationen wie der Ha-
mas im Gazastreifen. Bei den Verhören wurden etliche Gesinnungsfragen
gestellt. Hinsichtlich der Aktivitäten in Österreich bestätigt die Studie des
bereits genannten, für die Ausrichtung der Dokumentationsstelle maßgeb-
lichen Autors, dass die Muslimbrüder, die sich in der Regel nicht als solche
zu erkennen geben und gut integrierte Österreicher sind, im Allgemeinen
legale Ziele verfolgen, wenn sie etwa versuchen, im Bildungsbereich und in
Durch Gesetzesnovellen werden Eingriffsmöglichkeiten geschaffen, die
nicht nur von MuslimInnen als diskriminierend empfunden werden.
15 Österreichische Bundes-
regierung, Zusammen. Für unser
Österreich. Regierungsprogramm
2017-2022, https://www.oeh.ac.at/
sites/default/files/files/pages/re-
gierungsprogramm_2017-2022.pdf
[10.03.2021], 32.
16 Zu diesem Schluss kam die vom
österreichischen Innenministerium
eingesetzte Untersuchungskommis-
sion unter der Leitung von Ingeborg
Zerbes in ihrem Abschlussbericht
vom 10.2.2021 zum Terroranschlag
vom 2.11.2020, https://www.bmi.
gv.at/downloads/Endbericht.pdf
[20.02.2021].
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven