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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
Seite - 76 -
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76 | www.limina-graz.eu Christian Feichtinger | Reinheit und fundamentalistische Gefährdung Wahrnehmung von als minderwertig angesehenen Gruppen mit Abscheu einher, was zu gänzlich anderen Reaktionen, Metaphern und Darstellun- gen führt (vgl. Haslam 2006, 252–264). Dies trifft im Besonderen dann zu, wenn Verhalten oder Aussagen jene Be- reiche des Lebens berühren, die in einem sozialen System als unantastbar, tabuisiert oder heilig gelten; also besonders von Beschmutzung und Un- reinheit bedroht sind. In allen kulturellen Weltdeutungen – religiös oder nicht-religiös – wird bestimmten Gegenständen, Lebensbereichen oder Ideen ein besonderer Wert zuerkannt. Wie Douglas aufgezeigt hat, wird durch deren geordnete Festlegung zugleich deren Negation zu etwas Be- drohlichem, Unreinem, Widerwärtigem, das die Integrität von Gesell- schaft, Körper und Seele gefährdet (vgl. Shweder et al. 1997, 147–148). Gutes, moralisches Verhalten zeigt sich hingegen in der Entsprechung zu diesen hervorgehobenen Bereichen: „From a purity standpoint, it is virtuous to reject contaminating forces or hedonistic pleasure, to cleanse the soul, and to act in accordance with the ‚natural order‘. It is immoral to behave in a way that is self-polluting, filthy, profane, carnal, hedonistic, unnatural, animal-like, or ungodly“ (Haidt/Graham 2007, 106). Bewertungen von Handlungen als ‚unmoralisch‘, ‚unnatürlich‘ etc. sind daher von einem purity standpoint aus betrachtet stets eine Folge von Rein- heits- und Unreinheitsvorstellungen. Zusammenfassend: Liest man nun Douglasʼ Beobachtungen zur Reinheit mit sozialpsychologischen Befunden zu Abscheu und Ekelempfinden zu- sammen, ergibt sich ein Schema, welches als Grundlage einer Fundamen- talismus-Analyse fungieren kann: 1. Menschen (individuell und sozial) verfügen über symbolische Ord- nungs- und Interpretationssysteme, um sich in der Welt orientie- ren zu können. 2. Diese Ordnungssysteme bringen zugleich Unordnung hervor, in- dem sie durch ihre Kategorien Phänomene einschließen oder aus schließen; das Ausgeschlossene wird zu einer Anomalie. Als Anoma lie wird das Nicht-Kategorisierte jedoch selbst zu einer Bewertungen von Handlungen als ‚unmoralisch‘ oder ‚unnatürlich‘ können als eine Folge von Reinheits- und Unreinheitsvorstellungen betrachtet werden.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
4:1
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
224
Kategorien
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