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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
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94 | www.limina-graz.eu Fabian Müller | Biblizismus als Retter der Tradition? eine wichtige Rolle in der zweitausendjährigen Geschichte des Christen- tums. Auch Thomas von Aquin († 1274) weist auf ihre Bedeutung hin, wenn er festhält, dass Bibelstellen nur dann Gegenstand von theologischen Dis- putationen sein können, wenn sie im wörtlichen Sinn ausgelegt werden (vgl. Thom.S.Th. I,1,9;r). Neben der wörtlichen Interpretation der Bibel gab es aber ebenso seit Be- ginn der Geschichte des Christentums die allegorische Auslegung. Berühmt hierfür ist die Alexandrinische Schule. Ihre wichtigsten Vertreter sind Cle- mens von Alexandrien († 215) und Origenes († 254) (vgl. Paget 1996, 522). Letzterer kennt drei Arten der Auslegung. Neben die wörtliche treten die typologische und die anagogische Auslegung. Typologisch werden aus- schließlich alttestamentliche Stellen ausgelegt. Ein historisch vielleicht über König Salomo sprechender Text spricht laut der typologischen Aus- legung bereits über Jesus Christus. Was Origenes unter anagogischer Aus- legung versteht, lässt sich exemplarisch an seiner Auslegung zum Hohe- lied zeigen. Im wörtlichen Sinn spricht dieses Buch über die Liebe zwi- schen Mann und Frau, im anagogischen Sinn hingegen beschreibt es die Verbindung der menschlichen Seele mit Gott. Origenes möchte mit dieser Auslegemethode die mystische Dimension des Bibeltextes zum Ausdruck bringen. Hier wird deutlich, dass die Grenzen zwischen einer stark meta- phorischen Auslegung und einer willkürlichen Interpretation fließend sein können. Grundsätzlich herrscht aber auch in der Alexandrinischen Schule die Überzeugung vor, dass jegliche allegorische Auslegung nach Möglichkeit einen Anhalt an der wörtlichen Auslegung haben sollte. Johannes Cassia- nus († 435) erweitert den dreifachen Schriftsinn zu einem vierfachen. So kann z. B. das Wort „Jerusalem“ im Bibeltext vierfach interpretiert werden: „Historisch die Stadt der Juden, allegorisch die Kirche Christi, anagogisch die himmlische Stadt Gottes, die unser aller Mutter ist, tropologisch die Seele des Menschen, die häufig als Jerusalem vom Herrn getadelt oder gelobt wird“ (Cass.coll. 14,8). Die Lehre vom vierfachen Schriftsinn hat im Mittelalter große Bedeutung erlangt. Auch der vorhin erwähnte Hugo von Sankt Viktor kannte und ver- Neben der wörtlichen Interpretation der Bibel gab es seit Beginn der Geschichte des Christentums auch die allegorische Auslegung.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
4:1
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
224
Kategorien
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