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W. Weirer, J. Brunner und A. Gmoser | Professionell – missionarisch – an der Grenze zum Fundamentalismus?
Haltungen konfrontiert. Eine derartige vorschnelle und unreflektierte Zu-
schreibung trägt wenig zu einer wertschätzenden Kommunikation bzw.
einem anzustrebenden Pluralismus von verschiedenen religiösen Ausrich-
tungen innerhalb und außerhalb von Kirchen und Religionsgemeinschaf-
ten bei: „Der Fundamentalismusverdacht darf kein Totschlagargument
gegen die werden, die im weitesten Sinn religiös konservativ sind.“ (Nip-
kow 2017, 37) Gegenwärtig sind vor allem die Freikirchen in Österreich und
in angrenzenden Ländern von einer zunehmenden Fundamentalismus-
debatte – auch im Zusammenhang mit einigen Corona-Clustern – betrof-
fen (vgl. Rohrhofer 2020).
„Fundamentalismus“ wird in vielfältigen Kontexten verwendet, sodass
eine Klärung der Begriffsbedeutung und ein kurzer Blick in entsprechen-
de Diskurse in der Theologie, der Religionspädagogik und der Jugend-
forschung notwendig sind, um eine Ausgangsbasis für eine sachgerechte
Beurteilung der Salzburger HOME Church auch unter dieser Perspektive zu
erhalten.
Der Begriff hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Geschichte und
Wandlung erlebt und wird gegenwärtig oft mit „Terror“ und „Gewalt“
konnotiert, insbesondere im Zusammenhang mit dem Islam.2 In unserem
Kontext soll „Fundamentalismus“ als ein Phänomen in den Blick genom-
men werden, das grundsätzlich in allen Religionen und Weltanschauungen
in verschiedensten Formen auftreten kann. Ursprünglich trat der Begriff
als Selbstbezeichnung einer Allianz orthodoxer protestantischer Gruppen
in den USA im frühen 20. Jahrhundert in Erscheinung, die sich als funda-
mentalists gegenüber den modernists abgrenzten. Sie stützten sich dabei auf
die von ihnen gegründete Schriftenreihe The Fundamentals, die von 1909
bis 1915 erschien (vgl. Schwöbel 2010, 11).
„Diese Bewegung bekämpfte zunächst modernistische Phänomene in-
nerhalb ihrer Kirchen, wie etwa die Bibelkritik oder sozialreformerische
Deutungen des Christentums.“ (Riesebrodt 2005, 16)
Zentrale Kennzeichen des Fundamentalismus in allen monotheistischen
Religionen sind daher seit seinen Ursprüngen zum einen das Bestehen „auf
Der Fundamentalismus-Begriff hat in den letzten Jahren
eine erstaunliche Geschichte und Wandlung erlebt.
2 Zur Begriffsgeschichte seit den
Ursprüngen im amerikanischen
Kontext vgl. die sehr instruktive
Einführung bei Goertz et al. 2013;
vgl. auch Kienzler 2007, 29–34;
Rothgangel 2016.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven