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Rita Perintfalvi | LGBTIQ-Menschen als Zielscheiben rechtspopulistischer und fundamentalistischer Angriffe
Der Befreiungskampf braucht immer neue Feindbilder
Da Rechtspopulist*innen einen ständigen Befreiungskampf führen, brau-
chen sie immer neue Feindbilder, um die Menschen durch ihre Ängste ma-
nipulieren zu können. Sie bieten Schutz, Sicherheit und Stabilität und ver-
sprechen ihren blinden Anhänger*innen die Befreiung von den ‚Feinden‘,
die das Wohlergehen des ‚Volkes‘ oder den Fortbestand der Nation bedro-
hen. Bei diesem manipulativen Machtspiel ist es eine wichtige Faustregel,
dass die virtuellen Feindbilder, d. h. die durch verschiedene Verschwö-
rungstheorien künstlich hergestellten Feinde, viel besser zu instrumen-
talisieren sind als reale Probleme, da der Kampf gegen sie ohne intensive
Anstrengungen und ohne Verbrauch wesentlicher Ressourcen zum Erfolg
geführt werden kann. Solche ‚Feinde‘ sind die Migrant*innen in Ungarn,
deren Zahl extrem gering ist, oder der sogenannte Satan-/Soros-Ver-
schwörungsplan und die sogenannten Genderisten, die nach Ansicht der
Rechtspopulist*innen einen ideologischen Kulturkampf gegen die Fami-
lie führen (mehr dazu siehe Perintfalvi 2017). 2020 brauchte die ungari-
sche Regierung offenkundig ein frisches, neues Feindbild und so wurden
durch die Instrumentalisierung der Pandemie-Krise zwei Änderungen in
das Grundgesetz eingeführt, die die Rechte und Freiheit von LGBTIQ-Men-
schen und -communities extrem beschneiden.
Diese aktuelle Attacke gegen LGBTIQ-Personen1 reiht sich nahtlos in die so-
genannte Anti-Gender-Debatte ein, die in Ungarn erstmals 2010 während
der Regierungszeit der neuen rechtskonservativen Koalition von FIDESZ
und KDNP aufkam. Damals wurde in einem ersten Schritt das Sonderamt
für Geschlechtergleichstellung (Gender Equality Department) aufgehoben. 2011
wurde in der Verfassung die staatliche Schutzpflicht für die Ehe deklariert,
unter welcher ausschließlich die Lebensgemeinschaft eines Mannes und
einer Frau verstanden wird. Im selben Jahr versuchte die ungarische Re-
gierung während der EU-Ratspräsidentschaft, den Begriff „Gender-Main-
streaming“ durch „Family-Mainstreaming“ zu ersetzen. Da die Regierung
später jedoch in den Flüchtlingen ein anderes, gut funktionierendes Feind-
bild gefunden hatte, mittels dessen sie in der Bevölkerung bereits ausrei-
chend Angst generieren konnte, war die politische Mobilisierung gegen die
sogenannte ‚Gender-Ideologie‘ bis 2017 nicht so intensiv wie z. B. in Polen,
Rechtspopulist*innen brauchen immer neue Feindbilder,
um Menschen durch Ängste manipulieren zu können.
1 „LGBTIQ“ (Lesbian Gay Bisexual
Trans Intersex Queer) steht als Kurz-
form für Geschlechter, Geschlechts-
identitäten und sexuelle Orientie-
rungen, die von zweigeschlecht-
lichen und heterosexuellen Normen
abweichen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven