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Rita Perintfalvi | LGBTIQ-Menschen als Zielscheiben rechtspopulistischer und fundamentalistischer Angriffe
nung; deswegen sollen sie unbedingt ‚repariert‘, also zwangsweise ope-
riert werden:
„In diesen besonderen Situationen sind es nicht die Eltern, und noch we-
niger die Gesellschaft, die eine willkürliche Wahl treffen können, sondern
es ist die wissenschaftliche Medizin, die mit therapeutischer Zielsetzung
eingreift, das heißt, auf der Grundlage objektiver Parameter in minimal-
invasiver Weise handelt, mit dem Ziel, die konstitutive Identität deutlich
zu machen.“ (Kongregation für das Katholische Bildungswesen 2019,
Punkt 24)
Das Phänomen von Transgender wird in ganz absurder Weise als willkür-
lich freie Wahl des Geschlechts verstanden:
„Darüber hinaus hängt der Begriff Gender ab vom subjektiven Empfin-
den der Person, die ein ‚Geschlecht‘ wählen kann, das nicht mit ihrem
biologischen Geschlecht übereinstimmt und also nicht damit, wie die
Anderen sie sehen (Transgender).“ (Kongregation für das Katholische
Bildungswesen 2019, Punkt 11)
Der Dialog mit den wissenschaftlichen Positionen über LGBTIQ-The-
men wird auch dadurch verhindert, dass Fundamentalist*innen Zweifel,
(Selbst-)Kritik und offene Diskussion ausschließen. In einer schwarz-
weiß-dualistischen Weltsicht teilen sie die Welt und alle Phänomene des
Lebens (inklusive der sexuellen Orientierungen sowie der Geschlechts-
identitäten) in Gut und Böse. Und wenn etwas, wie beispielsweise Homo-
sexualität, als etwas Sündhaftes, also als böse, interpretiert wird, dann
setzen sie ihre „destruktiven, inquisitorischen, oft auf Vergeltung (und
Rache) beruhenden Bestrafungsmechanismen“ (Gerber 2015, 46) in Gang.
Für den Fundamentalismus ist ein weiteres Kriterium nach Gerber: „Schar-
fe, oftmals andere Menschen und Gruppen diffamierende (und bisweilen
beleidigende) Abgrenzungen in Form von religiösem wie politischem Ex-
tremismus, von Rassismus, Sexismus“ (Gerber 2015, 45). Für diese diffa-
mierende und menschenverachtende Redeweise möchte ich zwei ungari-
sche Beispiele nennen. In der Woche des 25. Pride-Festival 2020 ließ Gergely
Karácsony, oppositioneller Oberbürgermeister von Budapest, als symboli-
sches Zeichen der Akzeptanz von LGBTIQ-Menschen die Regenbogenflagge
am Rathaus hissen. Damit rief er eine sehr heftige öffentliche Debatte her-
vor, bei der auch kirchliche Akteure eine maßgebende Rolle spielten. Fülöp
Kocsis, griechisch-katholischer Erzbischof, sagte in seiner Reaktion auf
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven