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9 | www.limina-graz.eu Der „Diskurs des Kapitalisten“ (Jacques Lacan) nutzt solche psychosoziale
Konstellationen aus, indem er ein neues Modell der Freiheit anbietet, das auf
dem Paradigma des Objekts bzw. des Konsums beruht. Darüber hinaus ent-
spricht die Freiheit hier dem individualistischen bzw. narzisstischen Ideal
der subjektiven Selbstverwirklichung, in welcher der Vollzug des Ichs als
Totalisierung des Ichs (ohne den Anderen oder die Andere) geschieht. Es
geht hierbei um die direkte Verbindung zwischen einer liberalen, entfes-
selten Ökonomie (wir leben in der ersten und vermutlich zugleich letzten
Generation von „nicht reuigen VerbraucherInnen“) und einem Subjekt,
welches das Marktmodell internalisiert und assimiliert hat.
Paradoxerweise wird die Rhetorik sich auslebender Freiheit oder freier
Spontaneität ohne Zwänge seitens des aktuellen naturwissenschaftlichen
Diskurses systematisch in Frage gestellt. Hier entwickelt sich eine sym-
metrische und entgegengesetzte Narration, in welcher die Freiheit keiner
anthropologischen Voraussetzung entspricht, sondern das unerkennbare
Jenseits von Kausalketten oder eine Variable eines komplexen Mechanis-
mus darstellt. Grundsätzlich – wie bereits die Meister des Verdachts be-
haupteten – wird die Freiheit als ein Phantom betrachtet, das entzaubert
werden soll.
̟ Welche Fragestellungen generiert der Begriff der Freiheit aus einer
anthropologischen, rechts-, sozial- und naturwissenschaftlichen
Perspektive im Kontext der Gegenwart?
̟ Was sind die anthropologischen, sozialen und theologischen Fol-
gen dieser riskanten Freiheit?
̟ Wie kann man eine „positive Freiheit“ im Zeitalter des Imaginären
entwickeln?
Die vorliegende Ausgabe von LIMINA, in der diese Fragen zum Thema ge-
macht werden, beginnt mit der Frage nach der Freiheit und der Befreiung
im Alten und im Neuen Testament. Diese Erfahrung kommt paradigma-
tisch in der Exoduserzählung zum Ausdruck. Irmtraud Fischer beleuchtet die
individuelle und kollektive Befreiung aus der Sklaverei und aus dem Geno-
zid, die ein Resonanzgeschehen generiert, welches Mensch, Volk und Gott
eng miteinander verbindet und transformiert.
Ein neues Modell der Freiheit, das auf dem Paradigma
des Objekts beruht – oder ein Phantom?
LIMINA 2:2 | Das Phantom der Freiheit | Editorial
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 267
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven