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10 | www.limina-graz.eu Mit dem Freiheitsbegriff bei Paulus setzt sich Thomas Söding auseinander.
Er betont, dass alles, was Paulus über die Freiheit des Gewissens und des
Glaubens im Spannungsfeld von Theonomie und Autonomie schreibt, der
Anfang eines Gesprächs sei, das von der Überzeugung getragen ist, der Gott
Jesu Christi bejahe die menschliche Freiheit. Menschen fänden nach Pau-
lus in Gott ihre Freiheit, wenn sie auf ihr Gewissen hören und wenn sie im
Glauben seinem Wort gehorchen.
War die antike Freiheit nur in einer politischen Gemeinschaft zu verstehen
und zu praktizieren, so gestaltet sich die moderne Freiheit als individuelle
Freiheit, die sich zunehmend gegen die sozio-politischen Zusammenhän-
ge immunisiert. Isabella Guanzini fragt in ihrem Aufsatz, der die Gruppe der
systematischen Beiträge einleitet, ob es möglich sei, ein zeitgenössisches
Paradigma der Freiheit zu denken, das sich zwischen communitas und im-
munitas bewegt. Sie schlägt einen Lösungsansatz im Anschluss an Hannah
Arendt vor.
Aus systematisch-historischer Perspektive analysiert Gunda Werner den
Freiheitsbegriff in seinem komplexen Verhältnis zum Sündenverständnis
von Augustinus bis zur Neuzeit und bietet eine theologiegeschichtliche
Rekonstruktion der Thematik bis zum II. Vatikanum. Ihrer Auffassung
nach verschob das Konzil den Fokus der Freiheitsfrage letztlich von der
Willensfreiheit zur Gewissensfreiheit.
Eine systematische Reflexion über das schwierige Verständnis der Willens-
freiheit zwischen neurobiologischen Voraussetzungen, philosophischen
Zugängen und religiöser Erfahrung ist im Beitrag von Reinhold Esterbauer
zu lesen. Hierbei wird der ambivalente Charakter religiöser Freiheit her-
vorgehoben, der zugleich von Gewalt und Hoffnung geprägt ist.
Laurens ten Kate zeigt in seinem Beitrag, welche Strategien liberale Gesell-
schaften verfolgen, um nach dem Tod Gottes der Welt Sinn zu verleihen. Er
vertritt die These, dass liberale Traditionen im Untergrund konkreter plu-
raler Religiosität Sinn generieren, und macht seine Auffassung an philoso-
phischen Positionen fest, die Freiheit mit Imagination verknüpfen.
Aus pastoraltheologischer Perspektive nimmt der Beitrag von Hildegard
Wustmans das Phänomen des spirituellen Missbrauchs als Verletzung des
Selbstbestimmungsrechtes und als „Verspottung der Freiheit“ in den
Blick. Auf pastoraler wie organisationstheoretischer Ebene zeigt sie mögli-
che Maßnahmen auf, um in Zukunft Wiederholungen solcher Vergehen zu
verhindern.
Dem Freiheitsbegriff im muslimischen Kontext geht Franz Winter nach und
analysiert das Verhältnis des freien Willens des Menschen im Gegenüber
LIMINA 2:2 | Das Phantom der Freiheit | Editorial
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 267
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven