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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
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42 | www.limina-graz.eu Thomas Söding | Freiheit des Gewissens – Freiheit des Glaubens je für sich dem Apostel zustimmen müssen und die Entscheidung nicht auf ein Kollektiv verlagern dürfen. Sowohl im innerkirchlichen wie im politischen Raum ist das Gewissen für Paulus eine entscheidende Kategorie der Urteilsbildung in der Freiheit des Glaubens. Der Apostel erklärt den Begriff nicht, sondern setzt ihn als be- kannt voraus, und wendet ihn auf grundlegende Fragen der Orientierung im Glauben an, die strittig sind und ein persönliches Urteil verlangen. Die Betonung des Gewissens entspricht der Personalität des Glaubens, der Ein- heit von Ethos und Ritus, der Unterscheidung von Kirche und Staat. Paulus kennt durchaus ein irrendes Gewissen, das von denen, die es besser wissen, akzeptiert werden muss; aber er spricht vor allem von einem erkennenden, einem wissenden Gewissen, das mit dem Selbstbewusstsein der Gläubigen einhergeht und ihnen einen Orientierungssinn verleiht, auf den sie sich verlassen können und sollen. Der Apostel jedenfalls erkennt im Gewissen der Gläubigen eine theologische Instanz, vor der er sich verantworten will und kann, ohne es dominieren zu wollen. Das Gewissen der Heiden Nach Paulus haben nicht nur die Gläubigen, sondern auch die Heiden ein Gewissen. Von heute aus geurteilt, klingt dies selbstverständlich – aber nur, weil in der Bibel mit Paulus diese Klarstellung erfolgt ist. Sie spielt die biblische Schöpfungstheologie in die Anthropologie ein; sie entspricht der Rede von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen; sie ist mit der stoischen Philosophie kompatibel, die auch Sklaven ein Gewissen zuspricht; sie zeigt, dass in den Augen des Apostels die Konversion Menschen nicht zerstört, sondern in der Begegnung mit Gott zu sich selbst bringt (vgl. Gal 2,19f.). Im Zweiten Korintherbrief spricht Paulus an einer Stelle auch vom Gewis- sen derer, die zu Hörern des Wortes werden sollen (2  Kor 4,2): Hier ist das Gewissen die kommunikative Schnittstelle, die der Apostel weiß, nutzen zu können, wenn er das Evangelium verkündet. So revolutionär die Botschaft Paulus erkennt im Gewissen der Gläubigen eine theologische Instanz, vor der er sich verantworten will und kann, ohne es dominieren zu wollen. Nicht nur die Gläubigen, sondern auch die Heiden haben ein Gewissen.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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