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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Seite - 53 -
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54 | www.limina-graz.eu Thomas Söding | Freiheit des Gewissens – Freiheit des Glaubens Die Lösungsperspektive Die paulinische Theologie der Freiheit, sei es des Gewissens, sei es des Glaubens, hat eine Form, die in den Theologien der Neuzeit bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nicht hinreichend gefüllt, ja, verzerrt worden ist. Mangelnde ökumenische Gesinnung war ebenso verantwortlich wie anti- aufklärerisches Ressentiment. Verhängnisvoll war eine Befangenheit in Weltbildern, die in Stein gemeißelt schienen, aber schnell verblasst sind. Der Deismus verstellt sich den Blick zur creatio continua, ohne die es kein eschatologisches Heilshandeln gäbe, von dem aber Paulus überzeugt ist, so dass ihm ein mechanistischer Naturalismus vollkommen fremd, eine lebendige Welt, die Gottes Spuren trägt, aber nah ist (Feldmeier/Spie- ckermann 2018). Die reformierte Prädestinationstheologie engt die Hand- lungsspielräume von Menschen durch Verweis auf Gottes Prärogative ein, während bei Paulus die göttliche Vorsehung gerade die Freiheitsräume der Menschen öffnet (Schrage 2005). Die lutherische Anthropologie ver- weist zwar auf Paulus, wenn sie im Ungläubigen nur den Sünder und noch im Gläubigen den simul iustus et peccator entdeckt, unterschätzt darin aber die Willensfreiheit des Menschen, die durch Gott erschaffen ist, auch nach Paulus – der freilich, schärfer als der Idealismus, reflektiert, dass und wes- halb der gute Wille allein noch nicht das Gute bringt (Barclay 2008). Die ka- tholische Lehre hat im 19. Jahrhundert durchaus zu Recht die Zusammen- gehörigkeit von „Glaube“ und „Sitten“ betont; sie hat aus Gründen der Universalisierbarkeit auch eine naturrechtliche Argumentation entwickelt, die mit den aufkommenden Natur- und Rechtswissenschaften kompatibel sein sollte; aber sie hat einen ungeschichtlichen Naturbegriff zugrundege- legt und sich in ihrer Berufung auf Paulus nicht historisch-kritisch orien- tiert und deshalb geschichtliche Bedingungen seiner Positionen nicht me- thodisch von gültigen Ansprüchen unterschieden, obgleich sie theoretisch dazu in der Lage gewesen wäre. Das Ergebnis war – und ist teilweise noch  – ein moralischer Paternalismus, der so ziemlich das genaue Gegenteil der paulinischen Freiheitstheologie ist. Wenn ohne jede hermeneutische Nostalgie, vielmehr in problemorientier- ter Schriftauslegung das paulinische Zeugnis über die Freiheit von Gewissen und Glaube neu zur Diskussion gestellt wird, dann nicht in der Erwartung, Das Potential der paulinischen Freiheitstheologie ist längst nicht ausgeschöpft.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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