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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
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95 | www.limina-graz.eu Gunda Werner | Freiheit und Sünde werden kann, dass Sünde eine Schuld vor Gott ist, also eine aktive Gottes- beziehung bedeutet. (Kierkegaard 1982, 75) Weil Religion grundlegend hinterfragt wird und das Subjekt als von Gott losgelöstes gedacht werden kann, kann die Schuldfrage nun auch un- abhängig von Religion als philosophische gestellt werden. Dies ist eine wesentliche Veränderung für die Frage nach Freiheit und Sünde! Exem- plarisch hierfür steht die Religionsschrift „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ von Immanuel Kant. Als die „unschicklichste“ (RGV, B 42, A 388) Form sei der Schuldzusammenhang gedacht worden, so äußert sich Immanuel Kant in seiner Religionsschrift über die klassische Erbsün- denlehre. Was Kant vor allem interessiert, ist die reale Situation des Menschen. Wie- so tut der Mensch das Böse, obwohl er doch sowohl dazu in der Lage wäre, das Gute zu tun, als auch wüsste, was dies ist? Es ist die Freiheit, so Kant, die dem Tun des Bösen zugrunde liegt. Allein also im „Actus der Freiheit“ (RGV, BA 6) kann der Mensch sich verfehlen. Er nimmt im Menschen nun einen sogenannten „Hang zum Bösen“ an, „den subjektiven Grund der Möglichkeit einer Neigung“ (RGV, B 20, A 18). Dieser Hang wirkt nun, als sei er angeboren, aber er dürfe als solcher nicht vorgestellt werden, denn dann wäre er kein Akt der Freiheit. Ebenso benennt Kant das Gute im Men- schen als angeboren; diese Semantiken versteht Kant aber eben nur in dem Sinne als Natursemantik, als dass sie dem Verstehen dienen und der Er- fahrung entspringen. Dann wirkt es so, als dass „es vor allem dem in der Erfahrung gegebenen Gebrauche der Freiheit […] zum Grunde gelegt wird.“ Damit scheint es so, als sei es „mit der Geburt zugleich im Menschen vor- handen [...].“ Dabei sei die Geburt, so Kant, nicht die Ursache (RGV, BA 9). Also ist die Disposition des Menschen freiheitstheoretisch als zugezogen (böse) oder erworben (gut) zu denken, also als Bestimmung der freien Willkür. Der Mensch findet sich in die Freiheit gestellt und muss sich zu dieser verhalten. Allerdings ist das Problem am Hang zum Guten, dass er sehr theoretisch ist, weil die faktische Erfahrung diesem widerspricht. Für Kant bleibt das Böse ein Rätsel. Er nähert sich so an das Böse an, dass er im „peccatum ori- ginarum“ (Hoping 1990, 203) die intelligible Tat denkt; dies ist zugleich der formale Grund alles Weiteren. Im Grunde aber weiß der Mensch nicht, 8 Zitation nach Kant 1968 in der üblichen Form. Kant interessiert die reale Situation des Menschen: Wieso tut er das Böse, obwohl er auch in der Lage wäre, das Gute zu tun?
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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