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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
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96 | www.limina-graz.eu Gunda Werner | Freiheit und Sünde warum das Böse die oberste Maxime verdirbt. Wenn aber die Sünde einmal in der Welt ist, einmal die Maxime verdorben hat, dann folgt alles andere daraus. Kant nennt diese Folge dann peccatum derivatum, dieses ist dann auch als gesetzeswidrige Tat empirisch und in der Zeit gegeben (RGV, B 26, A 23/24) und damit wahrnehmbar. Sie ist wirklich überall. Hier aber hat Kant die Trennlinie zur traditionellen Erbsündenlehre und mit ihr, und das interessiert hier am meisten, zur Freiheitsvorstellung gelegt. Denn der Ursprung des Bösen ist von Kant konsequent in das Selbstverhältnis des Menschen gelegt worden. Es ist die freie und je persönliche Entscheidung des Menschen, Böses zu tun. Damit hat aber die Denkbarkeit des Bösen kei- nerlei schöpfungstheologische oder historische Bezüge, sondern die Sünde stellt sich im Selbstvollzug des Menschen ein. Wenngleich die theologische Begrifflichkeit zu einer theologischen Deutung verführt, ist für Kant das Interesse in einer Vernunfterklärung des Bösen Ziel seiner philosophischen Rekonstruktion des Gedankens eines peccatum originale. Denn dieses ist eben als innere Möglichkeit zu denken, dass alle Menschen Sünder sind. Der Ursprung des Bösen also ist in das Selbstverhältnis des Menschen hin- eingelegt, deswegen kann gedacht werden, dass der Mensch vom Ursprung aus affiziert ist. „Wir müssen aber von einer moralischen Beschaffenheit, die uns soll zugerechnet werden, keinen Zeitursprung suchen […].“ (RGV, B 46, A 42) Gleichwohl ist die Unbegreiflichkeit, „[d]aß wir es täglich eben- so machen“ (RGV, B 45; A 42), unerforschlich. „[…] und doch ist die ur- sprüngliche Anlage (die auch kein anderer als der Mensch selbst verderben konnte, wenn diese Korruption ihm soll angerechnet werden) eine Anlage zum Guten; für uns ist also kein begreiflicher Grund da, woher das mo- ralisch Böse in uns zuerst gekommen sein könne.“ (RGV, B 46, 47; A 43) Ob nun das Verführende zum Bösen als Kraft oder Macht im Menschen oder außerhalb von ihm gedacht wird, hat daher auch keine Bewandtnis; die Schuld trifft uns, „als die wir von ihm nicht verführet werden würden, wenn wir mit ihm nicht im geheimen Einverständnisse wären“ (RGV, B 73; A 67). Kants Reflexionen brechen an dieser Stelle ab, er kann aber die Frei- heit des Menschen aufrechterhalten, auch und gerade in den gesetzeswid- rigen Taten. Die Emphase, mit der Immanuel Kant für die Freiheit eintritt und mit ihr zugleich die Freiheit des Willens rehabilitiert, steht in einem unmittel- Ob das Verführende zum Bösen als Macht im Menschen oder außerhalb von ihm gedacht wird, hat keine Bewandtnis. Die Schuld trifft uns.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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