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Gunda Werner | Freiheit und Sünde
Wie eine schlussendliche Interpretation der Freiheit des Gewissen und sei-
ner Entscheidung ausfällt, wird an dem zugrunde liegenden Verständnis
des Gewissens und seiner Freiheit im Raum der Kirche zu verdeutlichen
sein und letztlich in dem Bereich der Interpretation von Glaubensgehor-
sam und Gewissensfreiheit anzusiedeln sein. Hier wird in der theologisch-
anthropologischen Frage nach der Freiheit ein Doppeltes deutlich. So fin-
det sich erstens eine theologische Verschiebung der Freiheitsfrage von der
Willensfreiheit zur Gewissensfreiheit, die Sünde als Disposition zur Ent-
scheidung bleibt dabei erhalten. Zweitens stellt sich mit dieser Verschie-
bung zugleich die Frage, wie die Gewissensfreiheit als Freiheit zu verste-
hen ist, wenn das II. Vatikanische Konzil als ein dezidiert modernes Konzil
verstanden werden will, welches z. B. von Karl Gabriel als „nachholende
Selbstmodernisierung“ der römisch-katholischen Kirche gedeutet wird.
(Gabriel 1998, 35–37; vgl. auch Graf 1998)
3 Offene Fragen
Die Frage nach der Freiheit spitzt sich in der gegenwärtigen Auseinander-
setzung sowohl im Blick auf den freien Willen als auch im Blick auf die Ge-
wissensfreiheit kontrovers zu. Die Debatte um die Freiheit bewegt sich in
den Extremen der völligen Verneinung bis zur emphatischen Bejahung.
Dabei fällt ins Auge, dass die Differenz zwischen der Willensfreiheit und
der Handlungsfreiheit15 in den Begriff der Freiheit und seiner Reichweite
eingezogen wird. Die Willensfreiheit ist theologisch deswegen unentbehr-
lich, weil sich an ihr die Zurechenbarkeit festmacht, geht es doch bei der
Willensfreiheit um die Fähigkeit zu genau dieser und keiner anderen Ent-
scheidung. Allerdings wird die Willensfreiheit hinterfragt, weil in ihr sich
auch andere Komponenten finden, die Entscheidungen beeinflussen, seien
es die konkrete Situation oder auch neuronale Beeinflussungen. (Vgl. als
Überblick Mandrella 2011, 2525–2526) Was bedeutet dies für die Willens-
freiheit? Ist sie eine Illusion oder ein Phantom?
Meines Erachtens ist in diese Debatte um die Freiheit eine Frage einzuspie-
len, die dann relevant ist, wenn eine Freiheit im Menschen und der Mensch
als Freiheit angenommen werden. Dass ich dies für theologisch sinnvoll
15 Vgl. für einen Überblick Röss-
ler 2014. Sie unterscheidet in der
Handlungsfreiheit grundsätzlich die
negative und positive Freiheit. Für
die negative Freiheit ist die libertäre
Position beispielhaft, die die Ein-
schränkungen und den Zwang an
die erste Stelle setzen (237–238),
dahingegen benennen die liberalen
Positionen mit der Einschränkung
der Freiheit zugleich die Mög-
lichkeiten, diese zu überwinden
(240–241). Dahingegen sehen die
Die Willensfreiheit ist theologisch unentbehrlich und wird gleichzeitig
hinterfragt. Ist sie eine Illusion oder ein Phantom?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 267
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven