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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
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102 | www.limina-graz.eu Gunda Werner | Freiheit und Sünde halte, ist deutlich geworden. Allerdings bleibt in der römisch-katholischen Fassung der Gewissensfreiheit, wie sie in der konzilsinternen Spannung zu finden ist, ein gewisses Unbehagen offen. Wäre das Konzil nämlich eine nachholende Selbstmodernisierung der römisch-katholischen Kirche, die Karl Gabriel annimmt, dann hätte dies vor allem im Verständnis der Frei- heit große Folgen. Denn eine nachholende Modernisierung käme nicht um- hin, die Autonomie des Gewissens und seiner Freiheit in die interne Debat- te aufzunehmen. Denn im Unterschied zu den beschriebenen Formen des theonomen oder ekklesionomen Gewissens ist als ein autonomes Gewissen jenes zu verstehen, das sich in der Begründung einer Entscheidung auf ver- nunftgeleitete und -gestützte Kriterien beruft, die nicht auf eine transzen- dente Größe, sondern rein auf die operative Gestalt der Vernunft zurück- zuführen sind. Gewissen ist deswegen für Immanuel Kant „das Bewußtsein eines inneren Gerichtshofes im Menschen (‚vor welchem sich seine Ge- danken einander verklagen und entschuldigen‘)“ (GMS, A  99). Nicht mehr also Gott übernimmt den Ankläger und Richter zugleich, sondern es ist der Mensch selbst, der sich vor dem Forum der Vernunft richtet. Die Selbstbin- dung der Vernunft an das Sittengesetz selbst wird zum Grundverständnis der Autonomie und dezentralisiert die theologische Annahme, der Mensch sei zuallererst an Gott gebunden. Damit ist allerdings nicht ausgesagt, dass der Mensch sich nicht an Gott binden könne, nur unkritisch kann er es nicht mehr tun. Die Entscheidung der Selbstbindung der Vernunft geht also von der Vernunft aus und wird von ihr verantwortet. So sehr bereits diese beiden Formen des Gewissens, also das theonome und das ekklesionome, in ihrer Begründung in einer im- mensen Spannung stehen, können sie doch in der grundsätzlichen Bedeu- tung des Gewissens als letzte Instanz in seiner Religionsformung ähnlich verstanden werden. Erst die autonome Fassung des Gewissens und damit die Autonomie des Subjekts legt aber die Dynamiken offen, die den kog- nitiven Dissonanzen zugrunde gelegt sind, die sich in Lebensformen und Entscheidungen (post-/spät-)moderner Menschen niederschlagen. Die Frage, wie also jemand in einer Demokratie seine Entscheidung an der Verfassung eines modernen Staates und den Allgemeinen Menschenrech- ten sowie eben den Grundsätzen des eigenen Gewissens treffen können darf und soll und zugleich als katholischeR ChristIn stets nur in Übereinstim- Vertretenden einer republikanischen Freiheit ihren Begriff als Freiheit, die von Willkür und Beherrschung unabhängig ist (242–243). Hingegen unterstreichen die feministischen Entwürfe, dass die Einschränkungen von Freiheit für Frauen noch einmal spezifisch diskutiert werden müssen (243–244). Den autonomen Frei- heitsbegriff stelle ich in den Mit- telpunkt, daher ist er nicht weiter ausgeführt. Damit ist nicht ausgesagt, dass der Mensch sich nicht an Gott binden könne. Nur unkritisch kann er es nicht mehr tun.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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