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Gunda Werner | Freiheit und Sünde
mung mit dem göttlichen Gesetz in der Auslegung des Lehramtes in intims-
ten persönlichen Bereichen entscheiden darf, wird kaum noch aufzufangen
sein und ist längst zugunsten der eigenen, persönlichen Entscheidung aus-
gegangen. Allerdings zeigt sich gerade an den sexualmoralischen Themen,
dass hier Kategorien und Begrifflichkeiten aufeinanderprallen, die eben in
ihrer Begriffsfassung und theologischen Reflexion keiner nachholenden
Selbstmodernisierung unterzogen worden sind und damit jede Frage nach
der Freiheit – sei es im Sinne des Vermögens, also des freien Willens, oder
des praktischen Vollzugs, also der Gewissensentscheidung – vorentschie-
den haben.
Der Ausdruck „Phantom der Freiheit“, um zum Anfang zurückzukehren,
ist römisch-katholisch in gewisser Weise eine recht akkurate Zustands-
beschreibung. Allerdings wäre die Freiheit als Freiheit missverstanden,
würde sie nur an der aktuell gelebten Freiheit festgemacht werden. Dieses
Phantom der Freiheit, also die real gelebte, ist doch zu unterscheiden von
dem Vermögen, der Fähigkeit des Menschen, als Freiheit sich stets verhal-
ten zu können. Nur so kann eine Theorie des Gewissens, selbst angesichts
der Sünde, modern verstanden werden. Modern bedeutet dann hier, dass
die Sünde als freie Tat einen Entschluss zur Tat denkt, der einer Nicht-
notwendigkeit zur Tat entspringt. Ob römisch-katholisch der Freiheit ein
Stellenwert eingeräumt werden kann, der ihren in gewisser Weise phan-
tomatischen Zustand überwindet, könnte einer der Lackmustests für die
römisch-katholische Kirche werden.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 267
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven