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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
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114 | www.limina-graz.eu Reinhold Esterbauer | Zwischen Hoffnung und Gewalt Der Handlungsspielraum, der sich dadurch eröffnet, transzendiert Zeit nicht, sondern ist selbst temporal bestimmt. Er liegt nicht „außerhalb der Zeit; er ist ein Spielraum unserer Zeitlichkeit“ (Picht 2001, 153). Das bedeutet , dass jede und jeder die eigene Biografie gestaltet, aber zugleich auch sich selbst zeitigt. Der Selbstvollzug geschieht in Freiheit und als zeit- licher. Folglich können Zeitvollzug und Freiheitsvollzug nicht voneinander getrennt werden. Denn Zeit und Freiheit erweisen sich als gleichursprüng- lich. Neben der eigenen Lebenszeit als Freiheitsraum ist mit dem Bewusstsein des eigenen Todes noch eine weitere Dimension eröffnet, die zugleich die eigene Freiheit wesentlich mitbestimmt. Sofern ich innerhalb meiner Le- benszeit beständig auf meinen eigenen Tod bezogen bin, ist die eigene Le- benszeit immer schon überschritten. Im Wissen um die eigene Sterblichkeit bekommt das Handeln, das im eigenen Leben gesetzt worden ist, mitunter Bedeutung für die Zeit nach dem eigenen Tod. Insofern ich mit Bezug zum eigenen Tode handle, ist es mir möglich, diese Grenze zu überschreiten und im Vorgriff auf die Zukunft nach meinem Tod in der Gegenwart zu han- deln. Der Möglichkeitsraum meiner Handlungsfreiheit geht also über den eigenen Tod hinaus. Mein Tun und Lassen können aber nicht nur Relevanz für diese Zukunft erlangen, sondern auch von Gründen bestimmt sein, die aus der Zeit jenseits meines Todes stammen. Das Leben der eigenen Kinder, die Folgen eines bestimmten Lebensstils, das Mitwirken an einer größeren Aufgabe oder alles, was im übertragenen Sinn Hinterlassenschaft heißt, zeugt vom möglichen Ausgriff menschlicher Freiheit über den eigenen Tod hinaus. In all diesen Fällen „liegt [das] ,ich‘ in einer Zukunft jenseits des eigenen Todes“ (Picht 2001, 156). Wenn diese Analysen stimmen, ist mit der Eröffnung von Zeit über den eige nen Tod hinaus und mit der Verknüpfung von Gegenwart und Zukunft eine Struktur von Freiheit vor Augen getreten, die die Zeit jenseits des To- des mit der Gegenwart verbindet und zugleich Gegenwart mit einer Zukunft nach dem Tod. Anders gesagt: Der Tod ist nicht die Grenze der Freiheit, ge- nauso wenig wie die Lebenszeit. Mit dem Tod enden zwar die individuellen Handlungsmöglichkeiten, weil ab diesem Augenblick niemand mehr „kön- nen kann“. Aber schon in der Zeit vor dem Tod erstreckt sich der Freiheits- Der Tod ist die nicht hintergehbare Grenze meines Handelns, aber nicht die Grenze meiner Freiheit, aus der ich handle.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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