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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
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115 | www.limina-graz.eu Reinhold Esterbauer | Zwischen Hoffnung und Gewalt horizont über den Tod hinaus: Die Folgen meines Handelns enden nicht im eigenen Tod; und die Zeit nach meinem Tod ragt in den Spielraum meines Handelns herein. Der Tod ist zwar die nicht hintergehbare Grenze meines Handelns, aber nicht die Grenze meiner Freiheit, aus der ich handle. Das bedeutet, dass die Ganzheit meiner Biografie – anders als es Heideggers Ausführungen über das Vorlaufen zum Tod zunächst nahe zu legen schie- nen  – auch im Tod nicht erreicht wird. Die jeweilige biografische Identität ist im Sterben nicht vollendet. Es erweist sich erst nach dem Tod, wer je- mand war oder bleiben wird. Eine solche Gestalt zeitlicher Offenheit scheint mir ein wesentliches Moment religiöser Freiheit zu sein. Religiöse Freiheit kennt einerseits den Tod als absolute Grenze nicht, kann sich andererseits aber auch nicht von der Konkretheit gegenwärtiger Entscheidungen lösen. Das heißt, dass sie im weiteren Sinn immer politisch ist, allerdings in einer besonderen Form, weil sie das eigene Leben und damit das der Gesellschaft mitgestaltet, darin aber zugleich vorläufig bleibt. Diese Ambivalenz ist ihr eigentüm- lich und kann nicht aus eigenen Stücken überwunden werden. Mir scheint, dass gerade dann, wenn versucht wird, ihre Doppeldeutigkeit aufzuheben, Schwierigkeiten religiöser Freiheit beginnen. Im Übrigen ist damit nicht behauptet, dass die beschriebene Ambivalenz ausschließlich für religiöse Freiheit spezifisch wäre, wohl aber, dass diese nicht ohne jene auskommt. Schwierigkeiten religiöser Freiheit Trifft diese vorläufige Bestimmung von Freiheit zu, so ist leicht einzuse- hen, warum das Konzept einer Entscheidung durch das Gehirn, wie es die oben vorgestellten neurobiologischen Thesen vorschlagen, zu kurz greift. Abgesehen davon, dass Freiheit geleugnet werden soll, sich aber gleichsam durch die Hintertür als Voraussetzung für eine „Entscheidung“ durch das Gehirn wieder einschleicht, fehlte einer solchen „Freiheit“ gerade die Am- bivalenz zwischen Gegenwarts- und Zukunftsbezug. Denn wenn man den Menschen als Gehirn und dieses als Informationsspeicher versteht, geht es im Kausalsystem Gehirn vor allem darum, abgespeicherte Erfahrungen als vergangene Muster zu reaktivieren, mit deren Hilfe „eine Entscheidung getroffen“ werden soll. Freiheit ohne den Möglichkeitsraum, der sich als Zukunft eröffnet, kann nicht rechtens Freiheit heißen und eine Entschei- dung ohne Freiheit auch nicht Entscheidung. Mit solchen Überlegungen ist im Übrigen die Frage nach der Grenze des Todes noch gar nicht berührt. Das
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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