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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
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123 | www.limina-graz.eu Reinhold Esterbauer | Zwischen Hoffnung und Gewalt verrät sie sich selbst als Freiheit und zudem ihre religiöse Rückgebunden- heit. Freiheit geht deshalb verloren, weil sie sich in diesem Fall dem Zwang einer Ideologie beugt. Ihre religiöse Dimension kommt ihr abhanden, wenn man meint, Transzendentes in menschliche Verfügung bringen zu müssen. Prophetisch kann solcher Universalismus freilich nur dann werden, wenn er im Grunde genommen aufhört, Universalismus zu sein, und wenn die Freiheit des anderen Menschen als etwas Unverfügbares manifest wird. Das gilt in Bezug auf Religiosität nicht nur für die Freiheit derer, die von an- deren Wahrheiten überzeugt sind, sondern auch für Fehlformen des Religi- ösen, die Freiheit minimieren oder gar eliminieren. Mit Levinas lassen sich solch degenerierte Formen am Begriff des Heiligen und seinem Verhältnis zum Begriff der Freiheit festmachen. Wie schon Émile Benveniste (1977) gezeigt hat, sind im Indogermanischen zwei Wortstämme für das, was man als das Heilige bezeichnet, zu unterscheiden, die nicht auf eine einzige Wurzel reduziert werden können. Einmal hat der Ausdruck des Heiligen den Sinn von „Tabu“, und das andere Mal trägt er die Bedeutung von „mit gött- licher Kraft erfüllt“. Levinas greift den Unterschied von Heiligem (franz. saint) und Sakralem (franz. sacré) auf und unterlegt die beiden Begriffe mit unterschiedlicher Bedeutung. Damit versucht er, zwei verschiedene Formen der Relation zwischen Religiösem und Freiheit zu identifizieren. Die eine Form ist der Bezug zum Numinosen, das den Menschen in sei- nen Bann zieht und entrückt. Solcher Enthusiasmus versetzt ihn in eine göttliche Ordnung, der es zu gehorchen gilt, ohne dass die eigene Frei- heit noch eine Distanz dazu aufbauen könnte. Man bewegt sich in einer überbordenden Dynamik höherer „Gewalt“ und erliegt ihr. Solche Gewalt über den Menschen ist für Levinas eine „in gewisser Weise sakramentale Macht des Göttlichen / puissance, en quelque façon, sacramentelle du di- vin“, die einen „Anschlag auf die menschliche Freiheit / blessant la liberté humaine“ (Lévinas 1992b, 25/29) ausübt und dem Menschen seine Würde als Mensch raubt. Das Heilige als das Sakrale vereinnahmt den Menschen und macht ihn unfrei. Für diesen Fall lässt sich religiöse Gewalt nicht nur als menschliche Gewalt identifizieren, sondern auch als göttliche. Denn wenn das Göttliche das Heilige im Sinn des Sakralen ist, lässt sich festhal- ten: „Das Heilige, das mich einhüllt und entrückt, ist Gewalt. / Le sacré qui m’enveloppe et me transporte est violence.“ (Lévinas 1992b, 25/29) Mit Levinas lassen sich Fehlformen des Religiösen am Begriff des Heiligen und seinem Verhältnis zum Begriff der Freiheit festmachen.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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