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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Seite - 154 -
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155 | www.limina-graz.eu Hildegard Wustmans | Missbrauch – die Verspottung der Freiheit kam eine Theologin zu Wort, die auch eine von spirituellem und sexuellem Missbrauch Betroffene ist. Nach einem ersten Statement wurden die Teil- nehmenden eingeladen, sich in Arbeitsgruppen darüber auszutauschen, wo sie in ihrem Leben Formen von Missbrauch begegnet sind, möglicher- weise selbst in der Ausbildung Missbrauch erfahren haben oder von an- deren darüber in Kenntnis gesetzt worden sind. Zugleich sollten sie sich damit auseinandersetzen, was aus Missbrauch und Abhängigkeit befreien kann. Auffallend war in dem Austausch, dass die Ressourcen für einen Aus- stieg aus dem „Fadenkreuz des Missbrauchs“ (Kluitmann 2018, 29) schnell formuliert waren: tragende Beziehungen, Wissen (kirchenrechtlich, theo- logisch, historisch, literarisch etc.), Handlungsspielräume (z.  B. finanzi- elle Ressourcen, eine Ausbildung haben). Nachdem quasi die zweite Fra- ge bearbeitet war, näherten sich die Teilnehmenden der ersten Frage. Der Beginn war tastend, vorsichtig, aber am Ende reichte die Zeit nicht. Ver- schüttete Erfahrungen blitzten auf und diese wurden aufgrund des zuvor Gehörten und Besprochenen neu betrachtet. Dabei wurde mit Erschrecken deutlich, dass eine nicht unerhebliche Anzahl unter den Anwesenden schon einmal in der eigenen Biografie mit spirituellem Missbrauch in Berührung gekommen war. Und es zeigte sich in der Auseinandersetzung, was Doris Wagner als erste öffentlich ins Wort gebracht hat, dass vielen Menschen in den Kontexten von Kirche gar nicht bewusst ist, spirituell missbraucht worden zu sein. (Vgl. Wagner 2019a, 172) Input und Austausch erwiesen sich als hilfreich, weil sie zur Einordnung von Erfahrungen eine Systematik bereitstellten. Was verschüttet, mit Ge- fühlen des Unwohlseins behaftet war, erwies sich mit einem Mal als „rich- tige“ Wahrnehmung von etwas, das nicht „normal“ war. Im Rahmen von kirchlichen Jugendgruppen und/oder in der Ausbildung öffneten Spiritualität und geistliche Begleiter*innen nicht immer Perspek- tiven, die frei machten, sondern die Not beinhalteten. Es wurde auf einmal deutlich, dass die angebotene Spiritualität sich nicht als Baustein für eine positive und bejahende Lebenseinstellung und Lebensbewältigung erwies, sondern in Unfreiheit und seelische Not führte. Die zunächst positiv er- fahrene nahe Beziehung, in der Raum für Suchen, Fragen, Vergewissern, Orientieren usw. war, wurde langsam, nahezu unmerklich, zu etwas Ein- grenzendem und Manipulativem. Dieser Prozess wurde gerade deswegen Vielen Betroffenen ist gar nicht bewusst, spirituell missbraucht worden zu sein.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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