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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
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166 | www.limina-graz.eu Franz Winter | Hat neben Gottes Allmacht der freie Wille noch Platz? “Yet, to all appearance, the main attitude of Islam was in favour of predestination.” (Wensinck 1965, 51) Inshallah! Eine sprachliche Betrachtung zum Auftakt Jede Sprache hat ihre Eigenheiten, die tief von kulturellen Traditionen ge- prĂ€gt sind. Dazu gehören auch formelhafte Wendungen, die oft viel ĂŒber zugrundeliegende Denkmuster aussagen.1 Eine der hĂ€ufigsten Formulie- rungen, mit denen man im arabischen Sprachraum (bzw. in Variationen auch in den weiteren vom Arabischen beeinflussten KulturrĂ€umen der isla- mischen Welt) konfrontiert ist, ist die kurze Wendung ’in shā‘a ’llah (wörtl. „wenn Allah will“), die in allen möglichen ZusammenhĂ€ngen entgegen- tritt und sehr unterschiedliche Schattierungen annehmen kann. Es ist eine Formel, die fĂŒr Nichtarabischsprechende oft etwas schwierig zu verstehen oder gar einzusetzen ist, weil sie vieles bedeuten kann. Neben der einfa- chen Verwendung mit der simplen Bedeutung „ja“ als BestĂ€tigung eines Vorhabens kann die Formel auch eine höfliche Form der Ablehnung bedeu- ten, um ein direktes „nein“ zu umgehen. Mit ihrer Grundbedeutung drĂŒckt die Wendung, deren konkrete Verwen- dung im Koran ĂŒbrigens fĂŒr Aussagen ĂŒber unmittelbar bevorstehende Vorhaben empfohlen ist,2 aber die Überzeugung aus, dass letztendlich al- les, was geschieht, nur aufgrund des Willens Allahs geschehen kann. Sie kann so gesehen als Ausdruck einer positiven Ergebenheit in den Willen Allahs, eines GefĂŒhls des Aufgehobenseins in einer prinzipiell optimistisch wahrgenommenen Welt interpretiert werden. Allerdings kann diese kleine Formel auch als Ausdruck einer fatalistischen Sicht auf die Welt interpre- tiert werden, in der das Tun des Menschen keine Freiheiten kennen kann, weil alles schon vorherbestimmt ist und es keine Möglichkeiten gibt, seiner Bestimmung zu entrinnen oder sein Leben frei zu gestalten. Wenn jemand alles, was er tut, als Ausdruck eines unausweichlichen göttlichen Willens interpretiert, stellt sich die Frage nach seinem eigenen Anteil am Schicksal. Dieser Bezug auf einen angeblichen inhĂ€renten Fatalismus ist ein oft zi- tierter Punkt westlicher Wahrnehmung der islamischen Welt und zĂ€hlt zu den klassischen orientalistischen Mustern.3 Mit den angefĂŒhrten unterschiedlichen Interpretationen ist diese ein- fache Formel intrinsisch mit einem Thema verbunden, das in allen drei großen monotheistischen Religionen des Nahen Ostens (aber auch schon 1 Zur grundsĂ€tzlichen Diskussion um die Frage, wie sehr Sprache und kulturelle bzw. religiöse Spezifika miteinander verknĂŒpft sind, im Zu- sammenhang mit dem Arabischen vgl. den jĂŒngeren Sammelband von Morrow 2006 und die Arbeit von Piamenta 1983; zur Verwendung von ’in shā‘a ’llah im Speziellen vgl. Clift/ Helani 2010. 2 Sure 18,23–24 (Übersetzung hier  – wie auch bei den folgenden Koranzitaten – nach Paret 2001): „Und sag ja nicht im Hinblick auf das (was Du vorhast): ‚Ich werde dies morgen tun‘, / ohne (hinzuzufĂŒ- gen): ‚wenn Gott will‘!. Und gedenke deines Herrn, wenn du vergißt (oder vergessen hast?) (dies hinzuzufĂŒ- gen?), und sag: ‚Vielleicht wird mein Herr (kĂŒnftig) etwas leiten, was eher richtig ist als dies (d.  h.  als meine vorherige Handlungs weise)‘!“ 3 Herausgearbeitet schon bei Said 1979, 102, ĂŒber „Oriental fatalism“ und bes. 105 ĂŒber „Orientalist conceptions of passive, fatalistic ‚subject races‘“; vgl. auch Almond 2015, 110–128; Nagel 1988, 8–12; zur europĂ€ischen Wahrnehmungsge- schichte des Islam auch Diagne 2011, 75–78; Djedi 2011, 261–267.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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