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Daniel Pachner | Wirklichkeit und Erfahrbarkeit digitaler Welten
das losgelöst „from a particular moment and place“ (Lévy 1997, 9) ist und
so einem Kollektiv zugänglich wird. Diese Überlegungen, die auf das Kon-
zept von Virtualität bei Deleuze zurückgehen (vgl. Münker 2005, 247), ge-
winnen zunehmend an Zustimmung (vgl. Jeschke et al. 2014, 9).
Angesichts dieser Bedeutungsvielfalt ist der Begriff des Virtuellen undeut-
lich und vage geworden. Um dieser Unschärfe entgegenzuwirken, soll im
Folgenden Lévys Ansatzpunkt aufgegriffen und die Frage nach dem Virtu-
ellen bei Gilles Deleuze gestellt werden. In einem ersten Schritt wird dabei
der Zusammenhang von Virtualität und Struktur dargestellt.
Virtualität und Struktur bei Gilles Deleuze
Das Werk Differenz und Wiederholung (Différence et répétition, 1968) stellt
das „systematische ‚Hauptwerk‘“ (Rölli 2012, 167) von Gilles Deleuze dar,
in dem „einmal mehr die Rationalität als solche auf den Prüfstand“ (Rölli
2012, 169) kommt, und ist das Werk, in dem Deleuze seine Auffassung des
Virtuellen entfaltet. Der Begriff der Virtualität spielt darin eine bedeutende
Rolle für die Auffassung einer Struktur. Obwohl diese dem Begriff der Idee
verbunden ist, geht es Deleuze dabei nicht um das Entwerfen einer idealis-
tischen Philosophie, sondern einer Philosophie des transzendentalen Em-
pirismus, die die Erfahrung und die Begriffe, die man sich von etwas macht,
in einen strukturellen Zusammenhang bringt (vgl. Rölli 2012, 176). Denken
und Struktur sind bei ihm auf das Engste miteinander verbunden, weswe-
gen Deleuze von den Ideen als „Mannigfaltigkeiten“ (Deleuze 2007, 233)
spricht. Diesen Ausgangspunkt seines Denkens muss man klar vor Augen
haben, um den Begriff der Virtualität zu verstehen:
„Es gibt nur die Varietät der Mannigfaltigkeit, d. h. die Differenz, anstatt
des riesigen Gegensatzes des Einen und des Vielen. Und vielleicht ist es
Ironie zu sagen: Alles ist Mannigfaltigkeit, selbst das Eine, selbst das Vie-
le. Aber die Ironie selbst ist eine Mannigfaltigkeit, oder besser: die Kunst
der Mannigfaltigkeiten, die Kunst, in den Dingen die Ideen, die Probleme
zu fassen, die sie verkörpern, und die Dinge als Inkarnationen zu fassen,
als Lösungsfälle für Ideenprobleme.“ (Deleuze 2007, 234)
Dem Fokus auf die Mannigfaltigkeit entspricht dabei das Begriffsrepertoire,
das Deleuze in seiner Philosophie aufbietet. Wie Michaela Ott schreibt, die-
nen Begriffe wie „Unbewusstes/Virtuelles/Mannigfaltiges/Immanenzplan/
Idee […] dem Versuch der Bezeichnung jener zugleich transzendentalen
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven