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Daniel Pachner | Wirklichkeit und Erfahrbarkeit digitaler Welten
und immanenten Ebeneâ (Ott 2014, 33), die Deleuze als Struktur aufzu-
schlĂŒsseln und verstehbar zu machen versucht.
Grundlegend lÀsst sich sagen, dass hinter einer jeden aktuellen Erfah-
rung eine (unbewusste) virtuelle Struktur liegt, die einerseits in Differenz
zum (bewussten) Aktuellen steht und sich andererseits im Aktuellen voll
und ganz wiederholt.1 Was in der gegenwÀrtigen Erfahrung also bewusst
ist, versucht Deleuze âvon unbewuĂten Aktualisierungsprozessen einer
âStrukturâ abhĂ€ngig zu machen, die als virtuelle Mannigfaltigkeit charak-
terisiert istâ (Rölli 2012, 28). VirtualitĂ€t ist dabei nicht eine Eigenschaft
einer Struktur, die ihr zufÀllig zukommt, sondern der Struktur selbst im-
manent. âDie Struktur, die Ideeâ (Deleuze 2007, 234) ist nicht das fertige
Produkt aus einer Vielzahl an möglichen Endergebnissen, sondern ent-
wickelt sich aus ihr selbst heraus. Die Struktur und ihre Genese, also ihr
Werden oder Entstehen, sind miteinander verflochten. Als âeine interne
Mannigfaltigkeitâ (Deleuze 2007, 234) sind ihre Elemente und die Bezie-
hungen zwischen diesen in ihr selbst enthalten. Das Virtuelle lÀsst sich so
verstehen als das Strukturierende, wÀhrend das Aktualisierte die Struktur
verkörpert und sichtbar macht (vgl. Deleuze 2007, 234â235).
Das Virtuelle ist nicht auĂerhalb der Struktur, die das Aktuelle hervor-
bringt. Selbst das, was man als Ă€uĂere Bedingungen einer Struktur aufzu-
fassen versucht, erhÀlt bei Deleuze eine strukturimmanente oder innere
Beziehung zu anderen Elementen. An dem Prozess der Ăbersetzung der
Programmiersprache durch den Compiler in die Maschinensprache, die
aus 1 und 0, Schalten oder Nicht-Schalten des Stromes, besteht, lÀsst sich
dieser innere Zusammenhang von Genese und Struktur zeigen: Denn die
ElektrizitĂ€t als unabdingbare Voraussetzung fĂŒr das Bestehen eines Pro-
gramms bringt gleichzeitig, bedingt durch eine bestimmte Ausformung
des Stromflusses, die Struktur des Programms hervor. Der Programmie-
rer lenkt einerseits diesen Stromfluss durch die Programmiersprache und
ist andererseits an die grundlegende Logik des BinÀr-Codes gebunden, die
durch bestimmte Schaltmechanismen zu komplexeren Berechnungen fÀ-
hig wird (vgl. Drechsler et al. 2017, 74â95). Stromfluss und Programmaus-
fĂŒhrung hĂ€ngen innigst miteinander zusammen, stehen aber zueinander
in einer Differenz, die zu unterschiedlichen Ausformungen der Struktur
fĂŒhrt. Schon auf der Ebene der Maschinensprache hat man es genau ge-
nommen mit einem Aktuellen zu tun.
Hinter jeder aktuellen Erfahrung liegt eine (unbewusste) virtuelle Struktur.
1 âErfahrungâ ist hier in einem
sehr weiten Sinn als alles, was zu
Bewusstsein kommen kann, zu ver-
stehen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven