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Daniel Pachner | Wirklichkeit und Erfahrbarkeit digitaler Welten
Unterschiede hieße, die Eigenart beider Strukturen zunichte zu machen.
Dahingegen ist das Verständnis von Gott als Schöpfer eines, bei dem Gott
eine ganze Welt, die diese Vielfalt zulässt, geschaffen hat. Man kann hier
von einem universalen Horizont – einem eröffneten Zeitraum, der anderes
als sich enthält – der Welt sprechen, in dem digitale Welten als (begrenz-
te) Erfahrungshorizonte entstehen. Im Zu-Grunde-Gehen einer digitalen
Welt – z. B. wenn man die Server einer Website abschaltet – zeigt sich dann
auch ihr Grund, der sie hervorbrachte (vgl. Deleuze 2007, 256), nämlich die
Abhängigkeit von miteinander vernetzten Bestandteilen und Schaltungen
und der Energiezufuhr in Form von Strom. Die digital-virtuellen Welten
sind zu verstehen als konkrete Ausformungen dieser Prinzipien im Sinne
der Schöpfungen von Deleuze, die von den inneren Elementen der Struktur
abhängen. Durch ihre strukturell bedingte Unterschiedenheit, die zu einer
anderen Art von Genese führt, lässt sich bei Deleuze der Gedanke nicht hal-
ten, die natürliche oder analoge Welt ließe sich ohne weiteres durch eine
digitale ersetzen oder könne diese problemlos kopieren.
Was ermöglicht aber den Einstieg in digitale Erfahrungshorizonte oder
Welten? Wiederum ist es das Virtuelle: Es vereint nicht nur die Elemente
des Digitalen zu einer Struktur, sondern erzeugt über das rein Maschinelle
hinaus einen Ort der Interaktion des Menschen mit dem Digitalen. Das Vir-
tuelle des Digitalen aktualisiert sich auch am Menschen, indem es ihn zum
User macht. Die digitalen Welten muss man vor dem Hintergrund ihrer
Manipulierbarkeit verstehen.
Aktualisierung des Digitalen als Interface
In Bezug auf das Erzeugen digitaler Welten und das Agieren in diesen wer-
den Freiheit und Manipulierbarkeit aufs Engste miteinander verschränkt:
Denn die eigene Freiheit im digitalen Raum reicht so weit, wie es einem
möglich ist, diesen Raum zu manipulieren. Das Eingreifen-Können in eine
künstlich erzeugte Welt unterscheidet die digitalen Welten grundlegend
von anderen Welten, die menschlich erzeugt sind. Doch es ist nicht gren-
zenlos, sondern abhängig von Beschränkungen, die von der Aktualisierung
der Idee einer digital-virtuellen Welt abhängen. Eine jede Aktualisierung,
Man muss die digitalen Welten vor dem Hintergrund
ihrer Manipulierbarkeit verstehen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven