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Georg Gasser | âI0I00I0II ... Ich, digital?â
Mind-Upload generiert werden, sich weder qualitativ noch im Hinblick auf
ihre Genese oder ihr extrinsisches VerhÀltnis zur Person im Teletranspor-
ter unterscheiden. Es ist, anders ausgedrĂŒckt, kein relevanter Unterschied
ersichtlich, der numerische IdentitÀt zwischen einer der beiden durch den
Mind-Upload erzeugten Individuen mit der ursprĂŒnglichen Person recht-
fertigen könnte. Numerische IdentitĂ€t wĂŒrde daher in einer zusĂ€tzlichen,
nicht nĂ€her beschreibbaren Tatsache begrĂŒndet liegen.2
Da viele IdentitÀtstheoretiker vor der Annahme einer solchen zusÀtzlichen,
nicht nĂ€her bestimmbaren IdentitĂ€tsrelation zurĂŒckschrecken, erscheint
ihnen das Mittel der Wahl Variante 3 zu sein. Dieser Vorschlag besagt, den
Begriff numerischer IdentitÀt in der Zeit durch den Begriff der Kontinui-
tÀt in der Zeit zu ersetzen, der sich z. B. kausal interpretieren lÀsst: Dem-
zufolge sind die beiden generierten Individuen im Hinblick auf ihre psy-
chischen Eigenschaften kausal abhÀngig von der Person, die in den Tele-
transporter gestiegen ist, da fĂŒr den Mind-Upload diese Eigenschaften der
ursprĂŒng lichen Person ursĂ€chliche Relevanz haben. Im vorliegenden Ge-
dankenexperiment lieĂe sich dafĂŒr argumentieren, dass die KontinuitĂ€ts-
relation zwar im Hinblick auf physische Eigenschaften nicht gegeben ist,
da die biologische Konstitution der ursprĂŒnglichen Person beim Mind-Up-
load keine Rolle spielt, aber dafĂŒr eine maximale StĂ€rke im Hinblick auf die
psychischen Eigenschaften aufweist und somit eine eindeutige Zuordnung
getroffen werden kann.
Da die KontinuitÀtsrelation nicht der Logik der Eindeutigkeit folgt, er-
laubt sie flexible Antworten in solchen und Àhnlich gelagerten FÀllen. Es
lĂ€sst sich aufgrund des Grades der qualitativen Ăbereinstimmung mit dem
Original zwischen nĂ€heren und entfernteren Nachfolgern unterscheiden â
Àhnlich wie biologisch oder juridisch zwischen nÀheren und entfernteren
Verwandtschaftsgraden unterschieden wird.
Der Vorschlag, IdentitÀt durch KontinuitÀt zu ersetzen und die Möglich-
keit mehrerer Nachfolger zu akzeptieren, mag uns prima facie als nicht
sonderlich plausibel erscheinen. Dieser prima facie-Eindruck, so Vertreter
des KontinuitĂ€tsansatzes, rĂŒhrt daher, dass uns Teilungsszenarien nicht
gelÀufig sind und in der menschlichen Erfahrungswelt keine Rolle spielen,
da dort eine Logik der Eindeutigkeit vorherrscht. Teilungsszenarien in Ge-
dankenexperimenten oder faktisch bei verschiedenen Organismen zeigen
Eine KontinuitÀtsrelation folgt nicht der Logik der
Eindeutigkeit und erlaubt daher flexible Antworten.
2 Eine prÀgnante Skizzierung dieser
Position findet sich in Quante 2007,
62â66; siehe auch Nida-RĂŒmelin
2012 oder Baker 2012.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven