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Georg Gasser | „I0I00I0II ... Ich, digital?“
der Welt erschöpft, sondern sich vielmehr durch ein aktives Tätigsein in
der Welt auszeichnet. Erfolgreiches Mind-Uploading hat diese Aspekte zu
berücksichtigen, wenn ein Bewusstseinstransfer mit den erforderlichen
Selbstidentifikations- und Selbstintegrationsprozessen einhergehen soll,
ohne welche ein direktes Anknüpfen an unsere jetzige Existenzform nicht
möglich erscheint und somit ein solcher Transfer das Ende unserer bishe-
rigen personalen Einheit in der Zeit markieren dürfte.
Der transhumanistische Kontext von Mind-Uploading
Die Vision des Mind-Uploading ist transhumanistisch. In einer knappen
Skizzierung lässt sich der Transhumanismus als Bewegung charakterisie-
ren, die mithilfe von Wissenschaft und Technik eine als defizitär bewertete
menschliche Natur verbessern will. So betont die Transhumanist Declaration
(2009):
„Wir stellen uns die Möglichkeit vor, dass durch Wissenschaft und Tech-
nologie Alterungsprozesse, kognitive Defizite, unfreiwilliges Leiden und
unser Dasein auf der Erde überwunden werden können. Wir sind der
Überzeugung, dass das Potential menschlicher Existenz zu einem Groß-
teil brach liegt, während sich Szenarien ausmalen lassen, die zu einer
großartigen und außerordentlich sinnvollen verbesserten conditio hu-
mana führen.“ (Übersetzung G. Gasser)
Zu dieser „großartigen und außerordentlich sinnvollen verbesserten con-
ditio humana“ zählt auch die Vision des Mind-Uploading, um im Ideal-
fall eine Form technologisch basierter Unsterblichkeit erreichen zu kön-
nen (vgl. z. B. Kurzweil 2006). Es geht also darum, die Grenzen der phy-
sisch-materiellen Welt im Allgemeinen und unserer biologisch verfassten
Existenz im Besonderen zu überschreiten. Es lässt sich hier durchaus von
einem Streben nach Transzendenz im Sinne der Sehnsucht nach einem
jenseitigen Existenzzustand sprechen, das uns eigentlich von religiösen
Weltdeutungen bekannt ist (vgl. Coeckelbergh 2018). So deutet etwa der
Religionswissenschaftler Robert M. Geraci (2008) in seiner Untersuchung
zum Transhumanismus solche Zukunftsvisionen als Konglomerat von Ein-
sichten aus wissenschaftlicher Forschung, modernem Fortschrittsdenken
Transhumanismus als Möglichkeit der Verbesserung
einer als defizitär bewerteten menschlichen Natur?
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven