Seite - 74 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
Bild der Seite - 74 -
Text der Seite - 74 -
74 | www.limina-graz.eu
Herbert Hrachovec | Omnipräsenz / Telepräsenz
der Kompositperson Jesus Christus. Sie ist so konstruiert, dass ihre Kör-
perlichkeit, und damit auch ihre Omnipräsenz, mit irdischen Maßstäben
nicht zu messen ist. Gott ist nicht materiell, doch es lässt sich darstellen,
wie seine Person zusammengesetzt ist. Augustinus bringt einen noch heu-
te attraktiven Vergleich. Wir sprechen gelegentlich einem Menschen von
schmaler Statur hohe Intelligenz zu (Augustinus 1911, § 11). Die Termini
„klein“ und „groß“ lassen sich sowohl messtechnisch als auch normativ
verstehen. „Immateriell“ kann in diesem Sinn heißen: materiell, aber nicht
wie greifbare Dinge.
In solchen Fällen spricht man gerne von „übertragener Bedeutung“. „Ein
hohes Maß an Weisheit“ sei bildlich zu verstehen. Augustinus trifft mit
seiner Erläuterung ein tiefsitzendes Problem. Kognitive Phänomene (Ge-
danken, Schlussfolgerungen, Erfindungen) basieren auf innerweltlichen
Faktoren und sind in einem präzisen Sinn immateriell. Das kleine Einmal-
eins, oder eine Nachricht über die Verleihung des Nobelpreises, kann sich
weltweit verbreiten, ohne „weniger“ zu werden. „Geistiges Eigentum“ ist
gerade darum ein umstrittenes Konzept, weil es einen nicht in Einzelteile
zerlegbaren Umstand zur ökonomischen Verwertung zurichten will. Dieser
Gegenwartsbezug ist nicht als Argumentationshilfe für Augustinus geeig-
net. Aber er markiert ein Thema, auf das im Rahmen der strikten Inner-
weltlichkeit von Telepräsenz zurückzukommen sein wird.
Einleitung 2
Das Pentagon befürchtete im „Kalten Krieg“, der sich in den 50er-Jahren
des vergangenen Jahrhunderts zwischen der Sowjetunion und den USA ent-
wickelt hatte, einen Atombombenangriff, der die heimischen Nachrichten-
verbindungen zerstören könnte. Ein wichtiges Ziel in der Entwicklung sei-
nes „Advanced Research Projects Agency Network“ (ARPANET) war die Si-
cherung der (militärischen) Kommunikationskanäle im Fall katastro
phaler
Ausfälle der Relais. Computertechnisch waren zwei Innovationen wesent-
lich: packet switching und routers (siehe etwa Kinkartz 1998). Im ARPANET
wurden Informationen in kleine, normierte Pakete aufgeteilt und mit ein-
deutigen Kennungen, Zielangaben und metasprachlichen Identifikatoren
versehen. Auf diese Weise konnten sie einzeln über die jeweils verfügbaren
Knoten eines Datennetzes dirigiert werden. Netzwerkrouter gewährleiste-
ten die Berechnung der günstigsten Übertragungsbedingungen und ver-
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven