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Herbert Hrachovec | Omnipräsenz / Telepräsenz
hinderten, dass Nachrichten an schadhaften Destinationen stecken blie-
ben. Zusätzlich zu dieser Infrastruktur war noch ein entscheidender Faktor
nötig, nämlich die Standardisierung der „Sprachen“, mit denen Rechner
unterschiedlicher Betriebssysteme Daten austauschen. Die „Internet-Pro-
tokolle“ sind von der informatischen Peer Community festgelegte Kon-
ventionen, die diese Aufgabe erfüllen. Mit Ende des 20. Jahrhunderts stand
damit ein global funktionsfähiges Datennetz zur Verfügung, dessen pro-
minenteste Ausprägung – auf der Basis des „Hypertext Transfer Protocol“
(HTTP) – das World Wide Web wurde.
Es dauerte einige Zeit, bis aus der Kommunikation zwischen Militärbasen
und Forschungsinstitutionen ein Massenphänomen wurde. Zwischenstu-
fen zur Einübung in die neuen „Nachbarschaften“ waren „virtuelle Ge-
meinschaften“ von zunehmender Realitätsnähe. Textbasierte Computer-
spiele, in denen eine Person fiktive, in einer Datenbank vorgezeichnete
„Welten“ erkunden konnte und darin Aufgaben zu lösen hatte, wurden ins
Internet portiert. Den BenutzerInnen stand damit eine neuartige Verstän-
digungsform zur Verfügung, die aus Tastatureingaben, Datenbankabfra-
gen und interpersonalen Dialogabschnitten eine Art Sozialkontext in Echt-
zeit herstellte. Die zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Mode gekommenen
Lernplattformen synthetisierten die vielfältigen Übertragungsprotokolle
zu einer an Universitäten, in der Verwaltung und in Großbetrieben einge-
setzten Umschlagstelle der Wissenschaft. Die ununterbrochene Verfügbar-
keit ihrer Ressourcen, ihre kostengünstige Wartung sowie Weiterentwick-
lung und schließlich die lückenlose Dokumentation sämtlicher über diese
Plattformen abgewickelten Transaktionen machten sie zu Vorboten weite-
rer Entwicklungen (Hrachovec 2004).
Die 2003 gestartete virtuelle Welt „Second Life“ ist weitgehend in Verges-
senheit geraten. Dennoch ist sie noch immer das Musterbeispiel einer im
Computernetz aufgebauten künstlichen Umgebung, in der TeilnehmerIn-
nen, vertreten durch Avatare, eine ansehnliche Bandbreite ihres Alltags-
lebens (Gespräche, Gruppenbildung, Unterhaltung, Erziehung, Kreativität,
Kommerz) duplizieren können.4 Die Datenbanken, welche das Rückgrat
der computerisierten Spiel- und Lernumgebungen bilden, erfassten eigens
ausgesuchte Teilbereiche des Weltgeschehens. Im Vergleich zu ihnen ist
dessen Erfassung durch Google von anderem Kaliber. Gespeist von der un-
ablässigen Datenproduktion der Suchmaschine verfügt die Firma über Al-
Das World Wide Web als global funktionsfähiges Datennetz
4 Informationstheoretisch besagt
„virtuell“, dass ein bestimmtes
Ensemble von Abläufen, das im Nor-
malgebrauch für designierte Zeiten,
Orte und Agenten festgelegt ist,
funktionsgleich durch Computer-
systeme modellierbar ist. Eine „vir-
tuelle Maschine“ ist Software, wel-
che die gesamten Funktionen eines
real am Schreibtisch stehenden PCs
(innerhalb eines anderen Compu-
ters) implementiert. Mehr dazu im
Abschnitt Fortsetzung 2.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven