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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
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81 | www.limina-graz.eu Herbert Hrachovec | Omnipräsenz / Telepräsenz „Kurz gesagt, die Vernetzung der Computer gibt die Antwort auf unser tiefes psychologisches Verlangen nach Transzendenz [...], den Wunsch, außerhalb des Körpers zu sein, des Geistes, die Grenzen von Zeit und Raum zu überwinden, eine Art bio­ technologische Theologie.“ (Ascott 1989, 100) Solche Elogen klingen veraltet. Mittlerweile lassen sich die Implikatio- nen der steuerungstechnisch herbeigeführten Telepräsenz nüchterner betrachten. Dazu muss untersucht werden, welche Bedeutungsverschie- bungen und -ergänzungen die digitalen Innovationen im herkömmlichen sprachlichen Inventar bewirken. Zwei Punkte sind hervorzuheben, der eine erkenntnistheoretischer Natur, der andere betreffend den aus der Scholas- tik bekannten Terminus „Virtualität“, der im gegenwärtigen Kontext eine neue Funktion übernimmt. Wissen über die Welt, das ist der Tenor der tra- ditionellen Erkenntnislehre, erlangen Personen durch Umgebungseindrü- cke, die sie verarbeiten und in diskursiven Zusammenhängen darstellen. Behauptungen und die empirischen Belege für ihre Vertretbarkeit standen in einem Naheverhältnis. Das hat sich im Zeitalter der weltweiten Daten- übertragung dramatisch geändert. Eine Protestkundgebung in Australien kann „an alle Orte“ der Erde live übertragen werden. Die menschlichen Sinnesorgane scheinen mit technischer Hilfe überall hin erweiterbar. Am Übertragungsgerät sind Vorgänge zu hören und zu sehen, deren Auftreten global mit Lichtgeschwindigkeit verbreitet wird. Die Weltöffentlichkeit ist (im Prinzip) gleichzeitig zugeschaltet. Doch dabei fehlt die Hälfte, Geruch und Tastsinn sind nicht auf diese Weise transportabel, so wenig wie die Körper der ZuseherInnen generell. Für die Summe der Personen, die an der Live-Übertragung teilnehmen, ist am Demonstrationsort kein Platz. Gesucht ist eine Bezeichnung für die eigenartige Befindlichkeit, in welcher die audio-visuelle Wahrnehmung und auch die Fähigkeit, mit ihren In- formationen interagieren zu können, alle lokalen Schranken übersteigt – ohne dass das betreffende Körperwesen seinen angestammten Ort verlässt. Der einschlägige Terminus ist die erwähnte „Virtualität“. Er steht für einen schillernden Begriff aus dem semantischen Cluster von vir, virtus, virtualis: Mann, Mannhaftigkeit, Tauglichkeit, Wirkkraft. In der Scholastik diente er zur Bezeichnung der in Lebewesen angelegten inneren Dynamik. Der Aus- Die menschlichen Sinnesorgane scheinen mit technischer Hilfe überall hin erweiterbar.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
3:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
270
Kategorien
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