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Herbert Hrachovec | Omnipräsenz / Telepräsenz
Das „tiefe psychologische Verlangen nach Transzendenz“, von dem Roy
Ascott spricht, ist eine Mischung aus Fähigkeiten, über die Menschen ver-
fügen, und Illusionen, die sie sich darüber machen, ihre Endlichkeit durch
Transposition in ein unvergängliches Medium „überwinden“ zu können.
De facto haben wir es inzwischen mit Bombenpiloten zu tun bekommen,
die Funktionen ihres Körpers auslagern, um andere, geerdete Körper zu
vernichten. Die Telepräsenz eröffnet Möglichkeiten, die bisher nur aus der
Science Fiction bekannt waren, aber es sind ausbuchstabierte Möglichkeiten,
keine Phantasmen. So wie „der Traum vom Fliegen“ von Flugzeugen nicht
gänzlich erfüllt, sondern im Wachzustand partiell realisiert wurde. Ein
pointiertes Beispiel ist der Bericht, den Edward Snowden davon gegeben
hat, wie er als Angesteller der NSA vom Büro aus live einen Wissenschaftler
in Indonesien observiert, der seinerseits vor dem Computer sitzt, ein Baby
am Schoß (Snowden 2019, 209–210).9
Conclusio
Zwei Entwicklungslinien wurden gezeichnet. Ihre Themen und Suggesti-
onen sind miteinander verwandt – aus gänzlich verschiedener Herkunft.
Kann man das so sagen? Verwandtschaft heißt doch: gemeinsame Wurzeln.
Zumindest lässt sich über Verwandtschaftsverhältnisse streiten. Die causa
wird im Folgenden auf zwei Ebenen untersucht, so wie die vorhin ange-
sprochene Luftbrücke doppelt verstanden werden kann: als Schnellverbin-
dung, die über schwieriges Terrain gespannt ist, oder wie ein Luftschloss,
als Brücke ohne Verankerung. Die Angleichung der beiden Themenkreise
hebt hervor, der souveräne Überblick einer ultimativen Macht vis-à-vis
der Welt im Ganzen sei der Omni- und Telepräsenz gemeinsam. Illusorisch
erscheint der Gegenposition die Verknüpfung eines Theologoumenons mit
einer, aus literarischen und steuerungstechnischen Quellen gespeisten,
Glorifikation interaktiver Video-Telefonie. Der US-Soldat aus dem Ab-
schnitt über Luftraumüberwachung hat nichts mit Erlösung und scholas-
tischer Reflexion zu tun. Es sei nicht leicht verständlich, wie jemand die
oberflächliche Nachbarschaft ernst nehmen kann. Immerhin ist festzu-
stellen, dass Autoren, die nicht als Schwärmer bekannt sind, eine „Theo-
logie der Telepräsenz“ versuchen. Die Berechtigung dieser von Hartmut
Böhme zur Diskussion gestellten Konstellation ist zu prüfen.
Stefan Federbusch gelingt es, die beiden Bereiche in einem „Psalm www:
Leben in Googles Allgegenwart“ unbefangen miteinander zu verknüpfen:
9 Man muss ergänzen, dass durch
ähnliche Instrumentarien kompli-
zierte, lebensrettende Operationen
in entlegenen Winkeln der Erde
durchgeführt werden können. Die
Telepräsenz bleibt ein gefährliches
Faszinosum.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven