Seite - 85 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
Bild der Seite - 85 -
Text der Seite - 85 -
85 | www.limina-graz.eu
Herbert Hrachovec | Omnipräsenz / Telepräsenz
„Big Data, du hast mich erforscht und kennst mich,
Ob ich surve [sic!], google oder maile, du weißt es.
Du durchschaust meine Gedanken von fern.
Wo ich auch gehe, dein GPS hat es bereits übermittelt.“
(Federbusch 2019)
Markus Brauer schiebt die Ansichten in einer Weihnachtspredigt 2016
ebenfalls ineinander.
„Was Glaubende seit Menschengedenken mit der Idee Gottes verbin
den, ist heute in den unendlichen Weiten der digitalen Enzyklopädien
zu finden. Der Cyberspace ist eine moderne Form von Transzendenz ...“
(Brauer 2016)
Der Allgegenwärtige ist überall, woraus ein „Glaube 2.0“ folgt:
„Wenn Gott allpräsent ist, muss er in der virtuellen Welt genauso gegen
wärtig sein und Spuren hinterlassen wie in der realen. Und das heißt:
Gott ist online.“ (Brauer 2016)
Die Omnipräsenz durchdringt die Telepräsenz; der Gottesglaube integriert
die Virtualität der Ingenieure. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Die
Sphären bleiben auch getrennt.
Markus Brauer ist kein Panentheist. Er statuiert eine Permeabilität von
Gottes Allgegenwart und Cyberspace, doch er betont zugleich:
„Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Gott und Netz [...].
Denn das göttliche ist vom menschlichen Sein radikal verschieden.“
(Brauer 2016)
Diese Argumentationsfigur hat eine lange Tradition. Gott, als der Grund
allen Seins, ist lückenlos in die Welt involviert und von ihr aus gesehen un-
ermesslich. Er ist im Ganzen der menschlichen Erfahrung offenbar und
ihrem Verständnis letztlich doch entzogen. Im Rahmen dieser Denkweise –
einer analogia entis mit eingebauter Radikaldifferenz – lassen sich belie-
bige säkulare Phänomene in Bezug auf eine unüberbietbare Transzendenz
assimilieren: „Deus semper maior“. „Gott ist online“ ist dann weiter nicht
erstaunlich, weil er ja, wie der Glaube lehrt, überall in der Welt präsent ist.
Soweit der Lobgesang.
Die Schattenseite der Telepräsenz ist aber auch nicht zu übersehen.
Jan-Heiner Tück hat sich den naheliegenden Bedenken gestellt: „Über das
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven