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Christian Wessely
Goethe lässt seinen Faust in dessen (noch) optimistischer und selbstsi-
cherer Phase über diese Frage sinnieren – und späterhin daran verzwei-
feln: Wie spricht ein Geist zum anderen Geist? (Vgl. Goethe 1924, 41) Wie
kommunizieren ihm grundsätzlich unverfügbare Entitäten miteinander,
die doch grundlegende Ideen, Werthaltungen und eine Form von Weltan-
schauung mit ihm, dem stets Suchenden und oft dem Finden enthobenen,
teilen müssen? Eine ähnliche Problemstellung zeichnet sich im Kontext der
Digitalisierung ab: Wenn autonome, lernfähige Datenverarbeitungssys-
teme wesentlich den Alltag des Menschen bestimmen und kontrollieren,
müssten sie genau deshalb dessen Grundwerte in ihre Prozesse einbezie-
hen und daher in der vernetzten Welt (nur eine vernetzte Artificial Intelli-
gence ist eine sinnvolle Artificial Intelligence) auch über diese in Austausch
treten. Nun sind aber gerade Werthaltungen hochgradig von Faktoren be-
stimmt, die nicht digitalisierbar sind.
Dieser Beitrag hat sich im Schreiben in eine andere Richtung entwickelt
als ursprünglich geplant. Es sollte ursprünglich um die Spezifika techni-
scher Protokolle gehen, die zum Austausch zwischen digitalen Systemen
im Datenverkehr Verwendung finden, um das grundsätzliche Problem der
Inkommensurabilität menschlicher und maschineller Kommunikation
und im Weiteren um den kulturellen Verlust angesichts des Verschwindens
symbolischer Kommunikation, die ich als die Grundlage des menschlichen
religiösen Handelns betrachte. Doch die Zeitumstände – insbesondere die
sogenannte Coronakrise – haben meine Überlegungen eine Wendung hin
zur Frage nach einer neuen Notwendigkeit der Besinnung auf das mensch-
liche Überleben sichernde Grundkategorien angesichts und mit Mitteln der
technischen Kommunikation nehmen lassen.
Wie spricht ein Geist
zum anderen Geist?
LIMINA Grazer theologische Perspektiven | 3:2, 2020, 109–130 | www.limina-graz.eu | DOI: 10.25364/17.3:2020.2.6
ABSTRACT
Menschliche Grundwerte im Angesicht der Digitalisierung –
ein Problemaufriss
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven